Kein bedingungsloser Anhänger
Ich bin definitiv nicht dem BMW-Wahn verfallen, habe mich aber trotzdem gerade wieder zum Kauf einer neuen BMW entschieden (1200er Adbenture). Der Grund dafür ist meine Erfahrung mit der bisher gefahrenen 1100er GS im Vergleich mit der vorher bewegten Dr. Big (800er Eintopf von Suzuki), und meine ganz persönlichen Anspruch an ein Motorrad:
1. Ich will im Urlaub lange Strecken mit viel Gepäck (Campingausrüstung) zurücklegen, wenns drauf ankommt auch ohne mich um Regenwetter kümmern zu müssen. Da scheiden schon einmal Maschinen mit offenlaufendem Kettenantrieb aus, denn nach spätestens 200km zügiger Fahrt im Regen hat sich das Kettenfett verabschiedet (ich habe alle Sorten durchprobiert), und dann steht man ziemlich dumm da. Angehängtes Bild zeigt das Ritzel meiner verblichenen Suzi nach einer Fahrt über den Bernardino während eines Gewittergusses. Bei der anschließenden zugegebenermaßen sehr zügigen Weiterfahrt über einige Pässe und die Inntalautobahn bis Innsbruck hat der Sekundärantrieb offenbar infolge mangelnder Schmierung geglüht, so dass die Zähne verbogen (!) wurden - siehe Foto. Die Innsbrucker Vertragswerkstatt brauchte eine ganze Woche für die Beschaffung eines passenden Kettensatzes (für die Woche hatte ich aber glücklicherweise ohnehin eine Hüttenwanderung geplant). Solange keine vergleichbaren Moppeds mit geschützter Kette (wie ehemals die Emmen) gebaut werden, ist also für mich ein Kardanantrieb trotz des Zusatzgewichts und des Wirkungsgradverlusts ein Muß. Solange die Handlichkeit nicht leidet, kann ich hohes Gewicht verschmerzen, denn je schwerer die Maschine selbst ist, desto weniger kommt sie bei hoher Geschindigkeit und Beladung ins Schlingern, und desto weniger stört die Beladung bei der Kurvenhatz. Die Suzuki war eigentlich auch ein ausreichend schweres Eisen, und der Sitz hat längere Etappen nicht zur Qual werden lassen. Ihre 50 Ps haben mir persönlich auch ausgereicht, den wie sie abgeliefert wurden, hat einfach mehr Spaß gemacht als beim Boxer. Die 700 km Autobahn von Berlin bis zu den Alpen fahre ich ohnehin im Durchschnitt nicht schneller als 140 km/h, da es darüber ungemütlich wird und auf den schmalen Reifen kein Profil mehr übrig bliebe. Insofern brauche ich persönlich die 98 Pferde der BMW nicht. Ihr Drehmoment ist da schon eher von Interesse.
2. Ich möchte auch dort weiterkommen, wo der Asphalt aufhört. Gegebenenfalls auch mit Gepäck. Dazu braucht das Mopped Bodenfreiheit, lange Federwege und eine gewisse Robustheit. Die Suzuki hatte diesbezüglich mehr zu bieten, war geradezu unkaputtbar. Vermutlich einer der Gründe, warum sie aus dem Programm genommen wurde. Mit der BMW musste ich mich deutlich mehr zurückhalten, was Ausflüge ins Gelände betrifft. Da man ohnehin älter wird, kann ich damit inzwischen leben. Dennoch erscheint sie mir immer noch robuster, als das, was Suzuki mit den Vstromern inzwischen nachgeschoben hat. KTM hat in dieser Disziplin zwar die Nase vorn, scheidet aber wegen Punkt 1 aus.
3. Wirtschaftlichkeit/Zuverlässigkeit: Die Suzuki hatte mich einst knapp 10.000 DM gekostet, und da waren Sturzbügel sowie Kofferträger bereits angebaut. Die GS ist aus meiner Sicht total überteuert. Das merkt man auch daran, dass es sich BMW locker leisten kann, bei der Inzahlungnahme gebrauchter Fremdfabrikate mal eben 1000 Euro draufzulegen (ein Schlag ins Gesicht aller Markentreuen). Der Wertverlust gebrauchter BMW mag eventuell in Relation zum Neupreis geringer ausfallen als bei anderen Marken, in absoluten Zahlen stimmt das dann aber auch schon nicht mehr. Vielleicht sollte es mich beruhigen, dass in meiner Heimatstadt damit Arbeitsplätze finanziert werden. Na ja, wer sein Geld nicht erarbeiten muß, kann sich ja solche Beweggründe leisten. Für mich relativiert sich der Mehrpreis dadurch, dass ich erlebt habe, was Service (Inspektionsintzervalle 6000km) und Ersatzteile bei Suzuki kosten. Und weil nach meiner Erfahrung die BMW zuverlässiger ist (wenn auch nicht fehlerfrei). Das spart nicht nur Reparaturkosten, sondern auch viel Ärger im viel zu knapp bemessenen Urlaub, der für mich eben auch seinen Wert hat.
Ich verzichte allerdings auch auf die diversen BMW-Original-Extras/Zubehöre und BMW-Bekleidung, denn funktionell Vergleichbares wenn nicht Besseres findet man woanders in der Regel etwa zum halben Preis. Insofern befürchte ich nicht, von Außenstehenden als "BMW-Kasper" eingestuft zu werden. Mir ist ohnehin unerklärlich, warum manche Leute Aufpreise dafür bezahlen, dass irgendwo ein Herstellername draufgepappt ist. Ich erwarte im Gegenteil einen Bonus, wenn ich für jemanden Reklame laufen soll.