Der Ausgangspunkt des BVG-Urteils war die Schaffung einer größeren Steuergerechtigkeit.
An diesem Maßstab sind die Umsetzungen der Politik in den Bundesländern zu messen, und geben sie ein aus meiner Sicht ziemlich jämmerliches Bild ab. Dass die Aufgabe möglicherweise in unserem föderalen und (glücklicherweise) liberalem System unerfüllbar ist, ändert daran wenig - es hätte noch sehr viel schlimmer kommen können.
Steueraufkommenneutralität
Die Bundesländer haben ihre Kommunen aufgefordert, die Hebesätze so zu gestalten, dass nicht mehr Grundsteuereinnahmen erzielt werden. Eine Forderung, kein Gesetz. Da sich keine Kommune in Zeiten erhöhten Aufgabenumfangs und steigender Preise einen Verzicht auf Einnahmen erlauben kann (und oft auch nicht darf), war Aufkommensteuerneutralität von vornherein illusorisch.
Die meisten Kommunen scheinen sich mehr oder weniger an die Forderung gehalten zu haben; in Frankfurt bis auf die zweite Nachkommastelle. In der hessischen Kommune, in der wir leben, wurde zwar der Hebesatz angehoben. Aber da der Messbetrag vergleichsweise niedrig und der Hebesatz ebenfalls nicht in schwindelnden Höhen angesetzt ist, sind die Mehrkosten marginal.
Dennoch: das Ziel Aufkommensneutralität wurde verfehlt.
Steuergerechtigkeit
Es ist durchaus sinnvoll, den einzelnen Ländern die konkrete Ausgestaltung zu überlassen; ein Flächenstaat ist anders zu behandeln als ein Stadtstaat. Trotzdem führt die unterschiedliche Bewertung automatisch zu Unterschieden, und die sind nicht unerheblich: Ob nur die Fläche, nur die Bebauung, eine Kombination oder auch noch die Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse sowohl des Grundstücks als auch der Immobilien Eingang in die Berechnung findet, macht einen Riesenunterschied (und nicht nur -aufwand).
Das Ziel der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den Ländern hat offenbar keinerlei Rolle gespielt. Das muss sich die Politik durchaus vorwerfen lassen.
Ein Vergleich
Der Steuerbetrag der energetisch und auch sonst sanierungsbedürftigen Eigentumswohnung meiner Eltern im Mehrfamilienhaus am Frankfurter Stadtrand hat sich vervierfacht. Die Gründe sind klar: Einerseits der Wertanstieg (Messbetrag) und andererseits die Verschiebung des Wertes vom Zentrum (zum Zeitpunkt der letzten Werterfassung) zum Stadtrand hin (Hebesatz). Der absolute Betrag ist, obwohl der Hebesatz mit 855% nicht gerade niedrig ist, im Grunde in Ordnung (wenn man die Grundsteuer isoliert betrachtet und keine Vergleiche anstellt).
In unserem Haus auf dem Land (dreifache Wohnfläche, riesiger Garten, energetisch saniert - und leider nicht unser Eigentum) ist der Messbetrag nur leicht gestiegen. Der Hebesatz musste von der klammen Kommune erhöht werden, ist aber mit 395% nicht exorbitant. Der Grund: Die Bodenpreise sind nicht wie in den Städten stark gestiegen, und eine stärkere Anhebung des Hebesatzes wäre vermutlich nicht durchsetzbar gewesen, ohne erheblich an Gewerbesteuereinnahmen zu verlieren. Anders als in Großstadtkommunen mit eher begrenztem Flächenangebot stehen ländliche Kommunen vermutlich stärker im Wettbewerb zueinander. Und wo keine "natürlichen Kartelle" bestehen, hält der Wettbewerb die Grundsteuer niedrig.
Wenn ich jetzt die absoluten Steuerbeträge miteinander vergleiche, stelle ich fest, dass der Frankfurter Quadratmeter mit dem 60-fachen des Dorf-Quadratmeters belastet wird.
Das kann ich beim besten Willen nicht mehr als gerecht ansehen.
Zwar ist der absolute Betrag auf dem Land lächerlich gering (wie ja auch andere Beispiele hier zeigen), aber wenn ich beispielsweise die Miethöhen von Stadt und Land vergleiche, klaffen diese ja auch nicht um mehr als eine Größenordnung auseinander, und auch die vermeintlich höhere Lebensqualität durch kulturelle und andere Leistungen der Kommune geben das nach meinem Eindruck nach nicht her. Also: Grundsteuer A auf dem Land ebenfalls kräftig rauf und alles ist gut?
Das Ganze relativiert sich wieder dadurch, dass neben der Grundsteuer auch noch Gebühren anfallen. Und da werden wir kräftig am Neubau der Kläranlage über Wasser und Abwassergebühren beteiligt; auch auf die Forderung nach dem Anlieger-Obulus für die kürzlich erfolgte Sanierung der Straße warten wir noch. Da werden die Kosten auf dem Land weniger gut geglättet wie in der Stadt, in der sich die Kosten auf viel mehr Personen verteilen.
Es ist aber auch eher das Gesamtbild, das ein Unbehagen mit der Reform erzeugt - das Gefühl, dass bei immer mehr steigenden Forderungen und Pflichten immer weniger Nachvollziehbares herauskommt. Dass im Gegenteil geradezu eine Arbeitsverweigerung angesichts der Herausforderungen besteht. Was aber sicher nicht "der Politik" allein anzulasten ist.
Da halte ich die Grundsteuerreform im Großen und Ganzen noch geradezu für gelungen. Eine versteckte Steuererhöhung sehe ich jedenfalls nicht. Aber den Anlass, handwerklich noch deutlich zulegen zu müssen.