Gedanken nach einem schweren Motorradunfall

Diskutiere Gedanken nach einem schweren Motorradunfall im Smalltalk und Offtopic Forum im Bereich Community; Ja verstehe die Gedanken, hatte ich jedoch selber nie. Ich hatte ja 2001 eine neue und schnellste GSX-R1000 gekauft. Ja hatte es massiv...
GS-Swiss

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Ja verstehe die Gedanken, hatte ich jedoch selber nie.

Ich hatte ja 2001 eine neue und schnellste GSX-R1000 gekauft. Ja hatte es massiv übertrieben. Das Ding reizte extremst zum puschen und es kam wie es kommen musste. Bei einer Kurve raus und Abhang runter. Maschine Totalschaden, ich mit Hubschrauber in den Spital. 5 Rippen gebrochen, eine davon in die Lunge eingedrungen. Linke Schulter gestaucht, heisst Schlüsselbein gebrochen. Gut 3 Wochen im Spital, nachher Gipsgestell an für einen Monat. Kaum Gipsgestell weg, wieder auf meiner 2. Maschine KLX-650 unterwegs und ganzen Sommer mit der weiter gefahren und im nächsten Jahr eine noch schnellere bestellt. Fuhr danach aber anständiger, bis heute. Zum Glück alles gut verheilt.

Dann im nächsten Jahr mit dem Mopped über den Brünig gefahren. Vor mir ein Auto und davor 2 Harley-Fahrer. Als Schutzhelm hatten sie diese Blechteller an, welche damals in Mode waren. Einer der Harley-Fahrer eine Kurve ziemlich geschnitten, es kam ein VW-Bus entgegen und er konnte nicht mehr korrigieren. Mit seinem Kopf voll in die Ecke des VW-Busses rein. Auf der Stelle tod, Genick gebrochen. Ja das hat mich auch länger beschäftigt. Hab dann dort alles mitgekriegt, da Strasse unpassierbar. Ging über 2 Std. Ja das war hart, als man ihn da so liegen sah.

Nochmals ein Jahr später über den Susten. Auch gut 100 Meter vor mir einer, der zügig, sogar sehr zügig hoch ist. Dann auch, Kurve nicht gekriegt, gerade aus massiven Abhang runter. Ja auch auf der Stelle tot.

Ja sicher beschäftigt das einem. Hätte mich aber nie vom Fahren abgehalten, diesen Gedanken hatte ich nie. Ich weiss, Motorradfahren ist gefährlich, bin mir dessen bewusst. Aber ja, wenn ich denke, wie viele Freunde und Kollegen ich verloren habe durch Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkten und das teilweise auch relativ früh. Bin da vielleicht etwas speziell. Bin nach wie vor der Meinung oder im Glauben, dass der eigene Todeszeitpunkt irgendwo schon festgeschrieben ist und man sich da sowieso nicht drücken kann. Natürlich austesten würde ich es nie. Aber wenn ich denke, wie viele Schutzengel ich schon hatte. Daher finde ich diese Theorie gar nicht so blöd. Zudem, ist der Tod für mich nichts abnormales, gehört zum Leben wie die Geburt und jeder muss gehen, wirklich jeder, nur der Zeitpunkt ist Offen.

Bezüglich Motorradfahren. Man darf keine Angst haben beim Fahren. Wenn man die hat, aufhören. Das bringt dann nichts. Angst ist immer gefährlich. Und eben, heute bin ich 59 und sage, hatte ein wundervolles schönes Leben, konnte alles machen und tun was mir wichtig war und habs getan. Jeder Tag, den ich jetzt noch habe, ist ein Geschenk und freue mich jeden Morgen, wenn ich gesund und munter aufstehen kann/darf. Heisst auch, wenn es mich dieses Jahr erwischen sollte, ja dann ist das so. Da hab ich auch ein gewissen Gottvertrauen, wie man so sagt.

PS: mir hatte vor langer langer Zeit mal ein Moppedfahrer gesagt, wenn du Unfall hast, so schnell wie möglich wieder auf die Maschine, wenn du das nicht tust, wirst du nie mehr fahren.
 
Giovanni64

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Hallo, solange du es dir nicht vorstellen kannst in Urlaub zu fahren, lass es dann auch.
Meine Frau wurde von einem Auto von hinten gerammt und flog 10 Meter durch die Luft und ich hatte das im Spiegel gesehen.
Wir wollten innerorts in 30er zone links abbiegen, der Dosenfahrer war abgelenkt und spielte mit dem Handy am Steuer.
Das Ende vom Lied, schwerste Prellungen und schulterverletzung.
Nach 6 stunden warten in der Notaufnahme war das Ergebnis nicht reisefaehig abwarten bis die Schwellungen zurück gehen. ( Wir waren in Italien).
Unsere ital. Freunde kümmerten sich ruerend so das ich am naechsten Tag die Unfall Maschine mit dem Haenger am unfallort selbst verlud und sicherstellt.
Den darauffolgenden Tag und den Rest des Tages kümmerte ich mich um meine Frau.
Es war das erste Mal das ich ernsthaft ueberlegte aufzuhören.
Für den naechsten Tag klärte ich mit der gastfamilie das sie sich um meine Frau kümmern und ich für mich eine Motorrad tour mache. Ich musste auch für mich wissen ob ich das noch will.
Klare Antwort, nein ich brauch es nicht unbedingt.
Um es abzuschließen. Ich hatte am Abend nach der Tour für mich entschlossen ich Hoer auf wenn meine Frau nicht mehr mag.
Ich sagte zu ihr das ich aufhöre und keine Lust habe sie ein zweites Mal auf der Straße aufzuheben. Das will ich nicht.
Sie sagte zu meiner Verwunderung das sie wieder fahren will wenn sie vollständig genesen ist. Es folgten Diskussionen.

Nun, nach dem Winter wurde ein anderes moped angeschafft.
Ja wir sind wieder on the Road aber irgendwie fuehlt es sich anders an.
Nein, angst ist nicht im Spiel.
Respekt wuerde ich sagen, vieles kann nichts muss ist das Credo.
Wir haben gelernt mehr zu genießen...
Giovanni

Fazit:
Jeder hat seine Erlebnisse die man auch für sich selbst verarbeiten muß.
Am besten ist man steigt so schnell wie moeglich wieder aufs Pferd.
Je laenger man zögert ist der Groschen eigentlich schon in die Richtung des aufhören gefallen oder ein Jahr zu pausieren.
Man muss fuer sich erkennen was wirklich wichtig ist.
Wenn man das Erlebte nicht wegschalten kann würde ich sagen aufhören.
 
Ralsch

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Ich kenne das ähnlich von der Sportfliegerei.
Ich stand an der Tragfläche als mein Fluglehrer - vermutlich durch zu hartes Anschleppen einen Blackout bekommen - beim Windenstart ohne jede Ruderbewegung über die Fläche abkippte und senkrecht einschlug. Das Rennen zum zertrümmerten Cockpit hätten wir uns sparen können. Ich war damals 18 und saß kurz darauf wieder im Cockpit. Aufgrund des Unfalls etwas mehr Vorsicht walten lassen, 2x alles checken, aber ansonsten kein Ding.
Dann stürzte mein zweiter Fluglehrer in den Wald, wir holten ihn trotz Horrorcrash fast unversehrt raus. Und dann ging es Schlag auf Schlag, 2 super erfahrene Berufspiloten und Fluglehrer, einer mit einer Kunstflugmaschine, der andere beim Segelflugwettbewerb abgestürzt, dann ein mir unbekannter Pilot direkt nebenan nach Herzinfarkt aus dem Himmel gefallen, Ein Leichtflugzeug bei uns am Platz, das die Höhe nicht mehr bekam, ein sehr guter Kumpel bei heißem Wetter mit einer Sportmaschine abgeschmiert, und dann ein weiterer Fluglehrer bei mißglückter Landung fast von einem abgerissenen Rohr im Motorsegler gepfählt worden.
Irgendwann war dann gut, auch wenn es keine Verwandten/sehr nahestehenden Menschen waren, habe ich die Fliegerei an den Nagel gehängt. Ansonsten wäre das sicherlich schon früher passiert.
Motorradfahren ist natürlich nicht wirklich sicherer, alles Kopfsache.
Wenn der Kopf aber nicht mitspielt sollte man solche Hobbies nicht betreiben, das passt nicht zusammen.
 
G

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Gast
Servus, Deinen Namen weiß ich nicht, geht aus Deinem Post nicht hervor.

Ich kann Dich gut verstehen. Allerdings war ich selbst in einen heftigen Unfall involviert. Mir ist bei 100 km/h in einer
Kurve in Schräglage der Vorderreifen geplatzt und ich bin in den Gegenverkehr geflogen, in einem Auto eingeschlagen und dann 70 mtr. in die Botanik geflogen. Ich war völlig schuldlos am Unfall. Der Gutachter ermittelte
das ein Metall-Schrapnell von meinem Vorausfahrer durch seinen Reifen auf der Fahrbahn aufgeschleudert wurde und im Flug seitlich in die Flanke meines Vorderreifens einschlug und diesen von außen nach innen aufriß.

Ich hatte das Handgelenk gebrochen und beide Schleimbeutel in den Knien zerfetzt. 3 Monate krank. Die Versicherung bezahlte und ich hatte die neue GS, damals eine 2011er Luft-Boxer TÜ TripleBlack bestimmt 4 Monate
in der Garage stehen.........irgendwie konnte ich kein Motorrad fahren.
Bei einem schlimmeren Unfall 5 Jahre vorher war ich selbst schuld, illegales Rennen auf einer Bergstrecke.......ich war
zweiter und wollte unbedingt am Führenden mit seiner R1 vorbei. Zu spät gebremst, mit zu hoher Geschwindigkeit
in die Kurve, Vorderrad weggeklappt und Abflug.
Da hatte ich keine Probleme den Unfall zu verarbeiten. Ich war ja selbst schuld. Nach fest kommt ab.
Aufstehen, Krone richten und weiter gehts.............mit etwas mehr Hirn. :wink:

Aber der oben geschilderte Unfall hat mir sehr zugesetzt. Warum ? Nun.......ich war hilflos, machtlos, schuldlos.
So wie Du. Das macht einem verrückt. Der Eine steckt das schnell weg, der Andere braucht monatelang. Oder man
braucht Hilfe zur Verarbeitung. Drüber reden und sich mit Gleichgesinnten austauschen hilft auch sehr. Genau das
machst Du ja hier jetzt. Toll das Du das Thema so offen mit UNS teilst. Finde ich klasse.

Gib Dir Zeit, rede drüber und erzwinge nichts. Wenn Du das Gefühl hast das das Problem nicht alleine lösbar ist
hole Dir professionelle Hilfe. Das ist kein Grund sich zu schämen.
Ansonsten hör auf Dein Gefühl.
Wenn Du irgendwann morgens in der Garage vor der GS stehst und hast Bock drauf dann schmeiss den Boxer an
und genieße das fahren wieder.
Ich drücke Dir die Daumen. Bei mir war es nach Monaten genau so.........Bock aufs Fahren..........so geil war das.

Grüße vom Quhpi (Jürgen)
 
cruizer

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Hallo Ententreiber,

vielen Dank dafür, dass Du Deine Gedanken mit uns geteilt hast. Das erfordert Mut - Respekt!
Wie die vielen Reaktionen hier zeigen, hast Du damit gute Gedanken bei uns ausgelöst.

An Tipps für Dich ist so ziemlich alles gesagt und auch sehr gut gesagt worden, ich möchte das nicht wiederholen.

Das entscheidende ist, dass das nur ein persönlicher Prozess und Weg sein kann - und Angst beim Fahren, oder jedweder anderer potentiell gefährlicher Aktion, nie dabei sein sollte, weil Angst lähmt und zu Fehlern führt.

Die zu beantwortende Frage bleibt: was ist für Dich besser, schöner in Deinem weiteren Leben?
Wenn Du ohne weiter zu fahren glücklich bist, und das Dein Weg ist - dann geh den.
Wenn Du aufhörst - und Dir fehlt was, Du Dich nach dem Fahren sehnst - dann finde Deinen Weg zurück zum Fahren, angstfrei und mit Freude. Dazu haben die Kollegen schon gute Tipps gegeben.

Ich denke, ganz wichtig ist, was Giovanni schreibt:
Respekt wuerde ich sagen, vieles kann nichts muss ist das Credo.
Das ist in etwa auch mein Leitmotiv - nichts erzwingen, nichts niemandem beweisen müssen, einfach das Fahren und Freiheitsgefühl geniessen - und Respekt haben mit dem was man da tut - und immer Sicherheitsreserven einbauen.

Deinem Schwiegervater wünsche ich gute und vollständige Genesung - und Eurer ganzen Familie ein weiteres glückliches Leben.

LG, Frank.
 
wuetho

wuetho

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Hallo zusammen, Hallo Ententreiber,

kenne das Thema auch.

Ich fuhr damals auf einer Landstraße mit ca. 80 -100 km/h als in einer leichten Linkskurve ein PKW aus einem Waldweg auftaucht, stoppt und der Fahrer in dem Moment als er in meine Richtig schaut losfuhr……..

Bin voll in die Eisen (ohne ABS) und schlug nach einer ca. 20m Bremsspur in die rechte hintere Seite des PKW ein…..Flog drüber und knallte mit dem Rücken auf die Straße.

Ich trug einen Helm, Jeans , Handschuhe und eine normale Jacke ohne Protektoren…..

Per Rettungshubschrauber ins KKH und „Nur“ eine Schwere Wirbelsäulenprellung Diagnostiziert bekommen…..Glück gehabt….mit der Prellung hatte ich dann schon noch eine Weile zu tun…..

Der Gedanke danach kein Motorrad mehr zu fahren kam mir nie…..

Meinem Umfeld, Eltern Geschwister Freunde allerdings schon….

Nun ich fahre seither irgendwie „Vorausschauender/Vorsichtiger/nicht Ängstlicher eher Respektvoller“ ist schwer zu erklären……..

Ohne Protektoren / Schutzkleidung bin ich seitdem so gut wie nie mehr unterwegs ………

Bei ähnlichen Verkehrssituationen Schrillen seither immer meine Alarmglocken….egal mit welchem Fzg.

Ich wünsch dir, dass du es hinbekommst unser schönes Hobby wieder „Respektvoll“ und „Zwanglos“ zu Genießen. Der Weg dahin ist sicherlich bei jedem anders.

Gruß

Thorsten
 
sigmali

sigmali

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R 1250 GS, EZ 03/2020
Ich habe eigene Erfahrung (angebrochener 4. Halswirbel am Ende meiner 3. Motorradsaison Ende 1981 / div. andere weniger folgenschwere Stürze in den ersten 8 Saisons), die jeweils kurz dazu geführt hatten, dass ich mein weiteres "Motorradfahren" überlegte. Das "Fieber" war größer und ich fuhr jeweils weiter.
Als Unfallsachbearbeiter bei Polizeidienststellen musste ich schwerst- und tödlich verletzte Motorradfahrer anschauen, teils direkt an der Unfallstelle, teils in den Notaufnahmen oder bei der Leichenschau. Auch abgerissene Körperteile an Unfallstellen bergen oder Körpergewebeteile an unfallbeteiligten (teilweise geflüchteten) Pkws dokumentieren. Auch musste ich einige Todesnachrichten an Hinterbliebene überbringen.
In meinem persönlichen Umfeld (Freunde, mehrere Motorradclubs) gab es schwerst- und tödlich verletzte Motorradfahrer. Während unseren Reisen trafen wir auch immer wieder an -teils heftigen- Unfällen als Ersthelfer ein.
Meine Ehefrau und Sozia (Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege) arbeitete viele Jahre an Kliniken mit Rettungshubschrauberstandort und hatte beruflich und als Mitfahrerin/Sozia viel Gelegenheit, mit dem Elend, das so ein Unfall verursachen kann, konfrontiert zu werden.

Und dennoch war meine/unsere Leidenschaft (oder auch Sucht) letztlich größer. Mir gibt Motorradfahren auch heute noch so viel, dass ich das Risiko in meinem Leben zulasse. Mein Alter (65 J) i.V.m. der Lebens- Berufs- und Fahrerfahrung hat natürlich dazu geführt, dass die "Risikobereitschaft" und die Suche nach "Grenzerlebnissen" sehr stark nachgelassen hat. Ich war fast 40 Jahre bei einer Motorradstaffel, seit 1982 zusätzlich Fahrer von zivilen Foto-, später ab den 90ern bis 2015 von Videomotorrädern. Das Fahren nah am Grenzbereich war mir vertraut und ich bin im Nachhinein dankbar, dass ich dabei immer schadlos blieb.
So fällt es mir seit längerem nicht mehr schwer, eher landschaftsgeniessend zu reisen. Wenn andere schnellere von hinten kommen, mache ich denen gerne Platz und versuche auch nicht mehr, mitzuhalten oder gar vorne weg zu fahren. Und entgegen meinem früheren Ich macht mir das nicht nur nichts aus, ich geniesse es. Ob dies auch weiterhin ausreicht, dass ich auch künftig schadlos bleibe?? Ich weiß es nicht, hoffe es natürlich.

Sollte der Tag kommen, an dem die Angst/Sorge im Kopf größer werden würde, wenn ich mich dabei ertappen würde, nur an mögliche Folgen zu denken, wäre klar, dass ich aufhöre.
Diese Entscheidung muss letztlich jeder für sich treffen.

Ich empfehle Dir deshalb: Reden mit möglichst vielen Bekannten/Freunden, Dein Schreibbeitrag hier ist ebenfalls ein guter Weg. Gegebenfalls auch fachliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Und solltest Du Dich für das Weiterfahren entscheiden: suche Dir den/die richtigen Mitfahrer, die hinsichtlich Fahrstil und Lebenseinstellung so zu Dir passen, dass es Freude macht. Ab und zu ein Sicherheitstraining ist sicher nicht schädlich und letztlich ebenso wichtig (und wird leider von vielen unterschätzt ode ignoriert): sorge durch körperliche/sportliche Aktivitäten und ggf. ergänzend vernünftigen Lebens-/Ernährungsstil für eine geistige und körperliche Fitness.
 
PerryXR

PerryXR

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Hallo Ententreiber,
ich möchte dir zuerst für deine offenen Worte und Gedanken meinen Respekt aussprechen.
Das ist meiner Meinung nach ein guter erster Schritt für die Aufarbeitung des erlebten.
Ich habe als junger Mensch schon viele schreckliche Unfälle gesehen und war hautnah bei Toten und Schwerstverletzten direkt bei der Bergung oder Versorgung dabei.
Deshalb kann ich dir aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, daß darüber reden immer hilft, wenn notwendig natürlich auch professionell.
Aber auch wie z.B. hier im Forum oder im privaten Umfeld.
Was ich dir als Empfehlung mit auf den Weg geben möchte ist, spreche auch mit deiner Frau darüber.
Es war ihr Vater und du bist ihr Mann.
Auch sie wird mit deiner Entscheidung klarkommen müssen.
Bei jeder Ausfahrt lassen wir unsere Angehörigen daheim, auch sie haben Sorgen und Ängste. Diese sollten auch angehört und ausgesprochen werden.
Wenn Du dich entschieden hast, egal wie, soll es für Euch die richtige Entscheidung sein.
 
gstrecker

gstrecker

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Ich habe 12 Jahre nach meinen eigenen Unfall 89 gebraucht um wieder auf das Motorrad zu steigen. Fahre deswegen auch nur 90 Prozent des mir möglichen auf der Strasse. Kriege es nicht aus den Kopf raus (vielleicht auch gut so)

Habe seitdem mehrere Unfälle anderer mit schweren Verläufen erlebt sowie zwei eigene leichterer Form. Habe mich danach sofort wieder drauf gesetzt und gefahren. Die ersten Wochen danach waren immer sehr schwer. Aber es geht weiter......
 
Dreyka

Dreyka

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Ich schreib auch mal was...
jeder Mensch hat seine eigene Art, Geschehnisse, Traumata, usw. zu verarbeiten. Es ist sicherlich hilfreich darüber zu schreiben, zu sprechen, jemanden zu haben, der zuhört usw. Aber letztlich muß man für sich ganz allein entscheiden, wie mit traumatischen Erlebnissen um zu gehen.
Ich habe selber mittlerweile 3 Freunde durchs Motorrad verloren. Habe schön öfters zugesehen, wie vor mir, oder hinter mir jemand abfliegt. Habe Freunde im Krankenhaus besucht, nachdem man Sie wieder zusammengeflickt hat.
Als ich selber abgeflogen bin, habe ich mir am Ende gesagt: " jetzt erst recht"
Jeder, der auf Moped steigt, sollte wissen worauf er sich ein läßt, sollte wissen, dass ein Risiko damit verbunden ist.
Man lebt nur einmal und dieses Leben kann man genießen, oder sich davor verkriechen. Die Entscheidung muss jeder für sich selber tragen.
Ich kann morgens aufstehen, mit dem Fuß umknicken und mit der Schläfe an der Bettkante hängen bleiben.
Kann ich nix dagegen machen und auch nicht beeinflussen.
Ich kann beim Gleitschirmfliegen eine "falsche" Böhe erwischen, so das der Schirm kein Wind mehr auf fängt und ich 100te von Meter abstürze.
Bestimmte Bilder wird man nie mehr vergessen, wird man nie mehr los, wird man immer wieder drüber nachdenken.
Aber soll ich, wenn ich mir beim Zähneputzen den Arm auskugel, auf Zahnreinigung verzichten, weil es wieder passieren könnte?

Ich denke was auch zur Verarbeitung bei trägt ist, dass was ich gelebt habe und was ich lebe.
Ängstlichere Naturen tuen sich schwerer, als Draufgänger.
Ich für meinen Teil, will hier auch nicht den dicken Max raus hängen lassen, möchte von daher mal etwas aus dem Nähkästchen raus hauen.
Ich wurde fast ein Jahrzehnt von 3 verschiedenen Eltern mißhandelt, bis ich im Kinderheim gelandet bin, wo ich dann mit 17 rausgeflogen bin und erstmals Obdachlos war. Also beste Voraussetzungen, um Traumas zu verarbeiten.
Man kann sagen: "oh da hast aber viel Sch... mitgemacht"
Man kann aber auch Vorteile daraus ziehen, weil man erfährt, was einem im Leben so passieren kann.
Die Entscheidung für die Zukunft muß jeder für sich letztlich alleine tragen.

Wenn du Freude am Moped hast, laß Sie dir nicht nehmen.
Wenn du Angst vorm Moped hast, dann verkaufe Es. Ein dazwischen gibt es nicht.
Egal wie du dich entscheidest, die Konsequenzen für diese Entscheidung trägst du hinterher auch selber.
Wenn man am Ende sagt: "Hätte ich doch nur...." , dann war die Entscheidung falsch und muß trotzdem damit leben.
 
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Ein Erlebnis was mich sehr beschäftigt hatte und mir heute ab und an noch durch den Kopf geht, war der Sturz meines Sohnes.
Das kenne ich ganz exakt genauso: Sturz von Filius hinter mir, im Rückspiegel gesehen. Unbeschreibliche Panik, zum Glück aber auch hier nur Materialschden (und leichte Prellung). Danach habe ich auf gemeinsam Touren auch mehr in den Rückspiegel geschaut als nach vorne, war maximal unentspannt. Wir sind trotzdem weiter zusammen gefahren und es wurde wieder etwas besser. Bis heute bin ich nicht so entspannt, als wenn ich alleine oder mit Kumpels fahre, aber es geht. Und ich möchte die gemeinsamen Touren nicht missen. Z.B. unsere IoM-Tour 2019 - ein gemeinsames Erlebnis, dass definitiv zu den absoluten Highlights meiner (nicht gerade wenigen) Motorradtouren gehört und das uns intensiv verbindet.

Was ich sagen will: Ich verstehe Dich voll und ganz, aber ggf. überlegst Du ja einmal, ob Du nochmal einen Versuch machst (erstmal kleine Hausrunde) und es vielleicht doch noch was mit Eurer Dolo-Tour wird...
 
Senfklumpen

Senfklumpen

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Ich finde es völlig in Ordnung, wenn Du Gedanken, die Dich beschäftigen, mit Gleichgesinnten teilst. Häufig werden ja eher Geschichten gepostet, in denen von Fahrkünsten des Protagonisten vor dem Hintergrund anderer, weniger versierter Fahrer berichtet wird. Die zahlreichen Reaktionen zeigen, dass es anderen ähnlich geht/ergangen ist. Und ich bin dankbar, dass noch keiner gepostet hat „Wer nicht fahren kann, soll es halt lassen.“

Ich ahnte aber auch, dass dies ein Sammelthread für fürchterliche Unfallgeschichten werden würde. Das ist nicht gut für mein Gemüt. Wenn ich mich morgen aufs Moped setze, möchte ich nicht all diese Geschichten im Kopf haben. Wie gesagt, das hat seine Berechtigung und ich muss es ja auch nicht lesen. Ich will nur meine Gedanken dazu zum Ausdruck bringen.
 
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Gast 31351

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Kennt ihr die Situation, bei einem wirklich schweren Motorradunfall dabei gewesen zu sein…..eines Menschen der euch nahe steht….. und selbst jetzt nach knapp 7 Wochen noch kein einziges Verlangen zu spüren, aufs Motorrad zu steigen?
Das ist die Frage aller Fragen. Wieder rauf oder nicht? Ich hatte im Herbst einen im Vergleich ultraleichten Motorradunfall. Das Zeugs zieht sich aber etwas hin und macht Komplikationen. Ich arbeite schon seit einiger Zeit wieder. (Ich bin ein Büromensch. ;-)) Aber ich kann noch nicht mal wieder Fahrrad fahren. Ans Motorrad denke ich nicht mal. Oder doch. Tue ich. Ich stelle mir vor ich fahre wieder .... und es passiert wieder .... und es dauert wieder so lange. Ich habe daher beschlossen es einfach auf mich zukommen zu lassen. Es kommt der Tag an dem ich physisch wieder fahren kann und die Sonne scheint. (Ich fahre nicht im Regen. ;-)) Und an diesem Tag werde ich mich aufs Motorrad setzen, den Knopf da vorne drücken und dann raus aus der Garage und raus auf die Strasse. Und dann werde ich nach 5 Minuten wissen ob ich wieder fahren will oder nicht. Wenn ich will, sehr gut. Wenn ich nicht will, lass ich es eben bleiben. Ist ja nicht schlimm. Ich will ja dann nicht und vermisse es dann auch nicht.
Also: Ich hatte ein Unfällchen und es sind fast 20 Wochen vergangen und ich weiss es noch nicht. Du warst Zeuge und Ersthelfer bei einem Unfall mit akut lebensbedrohlichen Auswirkungen einer dir sehr nahestehenden Person und es sind grad mal 7 Wochen vergangen. Wenn du schon wieder den absolut grenzenlosen Drang hättest fahren zu müssen, wärst du schon ein sehr abgebrühten Hund, finde ich.
Ausserdem ist das Wetter eh Sch....... ;-)
 
palmstrollo

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viele GS, dann XR und jetzt F 900 GS Adventure
das hat doch mit fehlender oder präsenter Empathie nichts zu tun, vielmehr mit einer starken oder weniger starken Resilienz
Ich meinte das eher in Bezug auf seine Frau, die beinahe ihren Vater verloren hat.
 
GS-Swiss

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Motorradfahren ist wie eine Sucht! Manchmal hasst man es und man kommt trotzdem nicht los davon.

Mit ging es schon 2x so. Hab ja 2000 mit den Schweren gestartet.. also eher "Spätzünder". 1981 mal den 125er gemacht, aber nur 3 Monate gefahren und das Ding verkauft. Dann ab 2000 so was von angefressen. Liess aber immer mehr nach. Weiss noch 2007, da hatte ich irgendwie überhaupt kein Bock mehr. Nur noch gut 1000Km gefahren und fast eher widerwillig. Also Anfang 2008 zum Moppedhändler, gefragt, was zahlst du und Maschine stehen gelassen.

Dann 2008 einen Roadster gekauft, BMW Z4. Dachte super Ersatz, bequemer, notfalls Dach zu und entweder Scheibenwischer oder Klimaanlage. Ja 2008 gross Freude dran, ging dann aber auch rasch zurück. Im Winter zu 09 so "heimlich" im Netzt wieder auf Motorrad-Online usw. Ja Fieber oder Sucht umgehend wieder da, so wie wenn man 2 Monate keine Zigi mehr hatte. Dann Frühling 09 wieder Inserate angeschaut und dann im März auch wieder gekauft. Wieder Feuer und Flamme und viel gefahren, ging dann bis 2017. Dort wieder gleich weit und Maschine wieder verkauft und dachte ist nun endgültig. Ja und Winter 19 wieder dasselbe und Anfang 19 wieder gekauft und dazu in meinen Augen eine "Altersgerechte" wie die Guzzi. Dafür jetzt Z4 letzten Oktober mit 14000Km verkauft. Sah noch aus wie ab Fabrik. Eigentlich unbenutzt.

Fazit: hab mir jetzt geschworen, nie mehr Mopped zu verkaufen, so lange es körperlich noch geht. Notfalls halt mal weniger in der Saison fahren, aber definitiv nie mehr verkaufen! Gegen diese Sucht kommt man einfach nicht an. Und ja, ein Cabrio ist kein Ersatz für Motorrad, wer dran denkt, soll es gleich wieder vergessen. Funktioniert ein Sommer und im nächsten Sommer ist das vorbei. Kann ich fast garantieren.

Aber ja, wie weiter oben schon geschrieben. Wer Angst hat, wem es nicht mehr wohl ist auf dem Bike, der soll aufhören oder längere Pause machen. Bike muss ja nicht verkauft werden, aber meldet es mal eine Saison ab und schaut dann weiter.
 
lederkombi

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Nachdem ich den hier stehenden Text schon drei Mal gelöscht habe…….habe ich mich doch dazu entschlossen, ihn zu posten.

Normalerweise wundere ich mich immer über Leute (wie mich jetzt), die in ein Internetforum etwas persönliches Schreiben.

Aber ich denke der ein oder andere wird so etwas wie unten beschrieben evtl. schon erlebt haben und kann mal einen Satz dazu sagen…..vielleicht stell ich mich auch an.
Kennt ihr die Situation, bei einem wirklich schweren Motorradunfall dabei gewesen zu sein…..eines Menschen der euch nahe steht….. und selbst jetzt nach knapp 7 Wochen noch kein einziges Verlangen zu spüren, aufs Motorrad zu steigen?

Ich habe mir im Oktober meinen Traum einer 2018er GS erfüllt und die Tiger Explorer in Zahlung gegeben…….sogar das Raussuchen von irgendwelchen unnötigen Zubehörteilen hat wahre Freude hervorgerufen. Mein Schwiegervater hatte sich kurz nach meinem Kauf ebenfalls eine XR aus 2015 gekauft.

Doch am 31.12 war damit Schluss……wir sind mittags gegen halb Zwölf gestartet, und hatten den Neckar bei Heidelberg/Eberbach als Ziel für einen Kaffee angepeilt. Das Wetter bei uns in Südhessen hat 13°C versprochen und die Sonne hat geglänzt. Doch bevor wir an unserem Kaffeepoint angekommen sind, hat sich mein Schwiegervater vor einer abfallenden Spitzkehre verpasst und ist samt XR ca. 6m die Böschung hinuntergefallen.
Für mich, der vorausgefahren ist, ein Moment den ich schlecht in Worte fassen kann. Kein Handynetz, keine Möglichkeit zu reagieren…..Mopped abgestellt und den steilen Waldabhang hinunter gerannt…..im Wald um Hilfe geschrien wie ein hilfloser Schuljunge, den Körper eines geliebten Menschen in den Armen gehalten. Ein Wanderer hat das ganze gesehen, ist zum Auto gelaufen und hat die Leitwache alarmiert.
Minuten vergehen wie Stunden……..immer wieder der Schrei um Hilfe und die Angst nach Hause zu kommen und der Frau sagen zu müssen, dass der geliebte Vater nicht mehr heim kommt.

Nach wenigen Minuten (gefühlt hat es Stunden gedauert), die ersten Martinshörner sind zu hören…..dann noch einmal, und Hubschraubergeräusche.
Die Feuerwehrmänner und -frauen leisten grandiose Arbeit, bilden eine Leiterkette den Abhang hinunter zu uns und können die Bergung erfolgreich durchführen.
Heli Flug ins Uniklinikum Heidelberg, mit 6 gebrochenen Wirbeln, 7 Paar Rippenbrüchen, Aortendissektion und Hirnblutung……nachdem der Heli mit ihm über meinem Kopf weg geflogen ist, bin ich sang und klanglos hinter dem Feuerwehrauto in Tränen ausgebrochen.

Ich habe dann noch eine dreiviertel Stunde gebraucht und bin dann mit der GS ins Uniklinikum gefahren wo bereits meine Frau gewartet hat inkl. Begleitung. Die erste Januarwoche war mehr als ungewiss……nach 3 Wochen Intensiv ging es dann weiter auf Normalstation und mittlerweile ist er in der Reha und kann laufen…..keine Ausfälle zu erwarten, trotz zwei komplett ersetzter Wirbelkörper.

Und nun…..nachdem die Aussichten auf eine vollständige Genesung wieder da sind, stand ich vorhin vor der GS und dachte mir……Mensch……was ein geiles Teil…..aber im Moment wird mir immer noch mulmig, wenn ich daran denke im Juni und Juli damit in Urlaub zu fahren.

Was der ganze Post bringen soll…..gute Frage, vielleicht tut es (mir) gut, sich mal was unter Gleichgesinnten von der Seele zu schreiben. Vielleicht bin ich aber nach den letzten 7 Wochen reif für die Insel…who knows.

Vielen Dank fürs lesen.
Ich wünsche Deinem Schwiegervater nur das Beste! Und Dir empfehle ich möglichst rasch wieder auf die GS zu sitzen, denn je länger Du wartest, desto stärker prägt sich dieses negative Erlebnis ein und Du wirst dann nie mehr fahren. Ich rede aus Erfahrung.
 
S

Slim_Jim

Dabei seit
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Ich wünsche dem Schwiegervater auch eine gute und vollständige Genesung!
Wer weiß...vielleicht will er ja (auch) irgendwann mal wieder auf ein Bike steigen, man wird sehen.

Das ist auch mein Stichwort: irgendwann.

Ich bin seit mittlerweile 37 Jahren zweiradmotorisiert unterwegs, also seit meinen Jugendtagen.
In dieser Zeit habe ich nahezu alles von den hier bereits ausführlich geschilderten Unfällen selbst oder als ungewollter Zuschauer erlebt, was ich hier aber gar nicht weiter ausführen möchte.

2010 bin ich zum ersten Mal in meinem gesamten motorisierten Leben (Motorrad wie Auto) in einen völlig unverschuldeten Unfall geraten (mir ist in einer langen Linkskurve in meiner Spur ein Fahrschulauto entgegen gekommen und hat mich fast frontal abgeschossen. Man mag es glauben oder nicht, aber neben einer fast völlig zerstörten BMW (die meines Schwiegervaters) bin ich mit diversen -teils sehr deftigen und langwierigen- Stauchungen, Quetschungen und Prellungen davon gekommen. Bis heute ist für mich unfassbar, wie viele Schutzengel da wohl gerade über mir Party gefeiert haben.

Der Schock über die völlige Hilflosigkeit und totale Unfähigkeit, noch irgendwie reagieren zu können, saß jedoch extrem tief. Zu der Zeit war meine Tochter noch sehr klein und wir hatten gerade ein neues Haus fertig gebaut.
Dieses Verantwortungsgefühl gegenüber meinen familiären Verpflichtungen und dem verbliebenen Ohnmachtsgefühl ließ mich zu der Entscheidung kommen, das Motorradfahren zu meiner eigenen Sicherheit aufzugeben. Eine Entscheidung, zu der mich sämtliche frühere und im Ergebnis teils schlimmere Erlebnisse nicht bewogen hatten - aber da hatte es nie dieses Ohnmachtsgefühl gegeben.

Ich war mir auch lange Jahre sicher, dass dies eine absolut vernünftige und richtige Entscheidung in meinem Leben war...oder?
Sechs Jahre später ertappte ich mich dann immer wieder dabei, im Supermarkt oder am Kiosk auch mal ein Bike-Blättchen in der Hand zu haben und durchzublättern.
Es folgten erste Gedanken, vielleicht doch mal gern wieder auf einem Bike zu sitzen, usw, usf. ...
Im Ergebnis habe ich mir dann nach einer ungefähr 1,5-jährigen Probefahrt-Odyssee doch wieder ein nagelneues Mopped zugelegt, dem zwei Jahre später ein zweites Gesellschaft leistete. Und das ist immer noch so und ich hoffe, dass der (wiedergewonnene) Spaß und die Freude an der kleinen Freiheit mich noch lange Jahre begleiten mögen.

Meine Botschaft lautet eigentlich: man weiß nie...
Und : Bloß nicht sich selbst Druck machen!
Mache steigen nach einem üblen Erlebnis mit dem Motorrad sofort wieder problemlos auf, andere ( wie z.B. ich) vielleicht später, manche nie mehr.
Ein Patentrezept gibt es hier m.E. nicht. Man sollte für sich allein ganz in Ruhe genau die Entscheidung treffen, mit der man sich am wohlsten fühlt, denn darum geht es hier: Wohlfühlen. Motorradfahren ist ein Hobby, keine Pflicht.
Bikes kann man kaufen. Und auch wieder verkaufen.
Wohlempfinden und psychische wie physische Gesundheit nicht.

Ich empfehle, sich einfach genau soviel Zeit für eine Entscheidung, von der man selbst überzeugt ist, zu lassen, wie man benötigt.

Kleine Ergänzung: Meine Frau ist früher auch selbst Motorrad gefahren; nach zwei relativ kurz hintereinander erlittenen -zum Glück äußerst glimpflichen (nur Materialschäden und stark verletzter Stolz)- Ausritten hat sie sich vor einiger Zeit dazu entschieden, selbst nicht mehr zu fahren, da sie dabei stets von einem Stress-Empfinden begleitet wurde. Heute begleitet sie mich zwischendurch immer wieder mal als Sozia, das reicht ihr.
Selbiges gilt für meine Tochter: sie hat einen Heidenrespekt vor den großen Bikes, fährt aber im Sommer sehr gern mal ein entspanntes Ründchen hinten drauf mit, hat aber keinerlei Ambitionen, irgendwann einmal selbst Motorrad zu fahren.
So soll´s sein: individuelle Entscheidungen, hier im Umgang mit dem Thema Motorrad, bei denen sich der einzelne gut fühlt, das Ganz also irgendwie positiv besetzt ist. Egal, wie lange es vielleicht dauert.
Alles andere bringt m.E. keine " Erlösung".

Viel Erfolg!
 
Ententreiber

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Ich danke euch allen für eure Beiträge und Worte.

Und natürlich soll der Beitrag nicht zu einem Unfallthema werden. Dennoch muss ich sagen, dass es auch mal gut zu lesen ist, wie es anderen Usern erging und wie ihr solche Situationen erlebt bzw. gemeistert habt.
Immerhin ist ein Forum, und davon lebt es nun mal, eine Ansammlung von unterschiedlichen Charakteren sowohl mit persönlicher als auch gesellschaftlicher und beruflicher Prägung.

Der Begriff „Angst“ vorm fahren ist vom Tisch bzw. es stand nie zur Diskussion.
Einige Tage nach dem Unfall hatten wir Zuhause das Thema, ob ich denn weiterfahre und konnte es mit JA beantworten. Es kann immer, auch als Radfahrer oder Fußgänger, zu schweren Verletzungen kommen, egal ob Eigen- oder Fremdverschuldet.
Selbst wie in unserem Falle, reicht schon eine relativ niedere Geschwindigkeit aus, wenn es hinter der Straße in die Tiefe geht. Doch durch eure Berichte habe ich ein Augenmerk auf die Zeit gelegt. Zum Teil ertappe ich mich, wie es bei uns sonnig wird und ich mir innerlich sage, Mensch…..letztes Jahr biste schon bei 3°C durch Rheinhessen gefahren.

Doch ich denke, wie bereits oben erwähnt, wenn man einen VU mit einer nahestehenden Person erlebt, ändert sich die Sicht der Dinge. Vielleicht braucht es auch einfach mehr Zeit als man es erwartet hätte.

Kurioser Weise beschäftige ich mich tagtäglich mit der Bewertung von Sicherheitsrisiken im Bereich der Fördertechnik. Bewerte, begutachte und erteile CE……daher bin ich eher rational und sachlich und kaum emotionsgesteuert.
Einen Vernunftentscheidung hin zu einer Airbag Weste habe ich allerdings vergangene Woche getätigt. Auch das ist ein Punkt worüber man diskutieren kann, denn ein Luftkissen schützt nur in gewissen Geschwindigkeitsbereichen und nicht ausnahmslos. Aber für den Kopf, und das Gewissen meiner Frau dürfte es förderlich sein.

Nochmal in ganz großes Dankeschön an euch!
 
cowy

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Die Gefühle nach so einem „Erlebnis“ sind oft gar nicht zu beschreiben.

Eher jedoch kann man dann den wieder Einstieg erklären

Bei mir war nach Monaten Zwangspause ( nicht verletzungsbedingt ) absolut defensives Fahren angesagt.
Oft kopfschüttelnd über die anderen...“fahrts zu...“

Erst nach einigen Jahren hatte ich den Kopf dann - gefühlt frei - für unbeschwertes Fahren

Ich wünsche Dir genug Zeit, um darüber vollständig hinwegzukommen - und Deinem Schwiegervater gute u vollständige Genesung und auch den Mut, wieder aufs Moped zu steigen


Cowy
 
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