Weitere Erfahrungen mit meiner F650 GS als Fahranfänger
Hallo Zörnie, liebe Gemeinde,
ich hatte ja weiter oben meine Freude über mein gebraucht gekauftes blaues Wunder mit 800 ccm und 650er Aufkleber auf der Tankverkleidung zum besten gegeben, worauf Du reagiert hast. Nach einem dreitägigen Fahrsicherheitstraining gibt es meinerseits nun einige neue Erfahrungen zu vermelden.
Das Training war super. Das Team und die Teilnehmer auch! Die Berufsgenossenschaft macht's möglich. Dabei waren 18 biker auf Mopetten aus Japan und Deutschland zwischen Baujahr 1989(schöner BMW Boxer mit Polizeiverkleidung) und 2009(F650GS, nicht meine. Meine ist schließlich 'Vorserie'!). Es gab alles, angefangen bei wahren 650er Eintöpfen von zwei Kontinenten, über V2 / Boxer / Paralleltwins mit 750 bis 1200 ccm, vierzylindrigen 1000er Sportlern und Naked Classics oder Reisedampfern mit 1400 ccm aus Japan. Die Fahrerfahrung betrug zwischen 2 Monaten(ich, auch nicht mehr taufrisch) und ca. 30 Jahren(die noch älteren Säcke, aber noch lange nicht morsch und extrem lustig). Und das beste: Es war für alle was dabei. Die Fregattenkapitäne haben Ihre Containerschiffe genauso behände durch den Kreis, den Slalom oder um Hindernisse gedrückt wie die Lenker von leichten Küstenschiffen, oder die Schnellbootfahrer. Auf dem Tank gesessen oder der Sitzbank gestanden, im 5-Meter-Kreis gezirkelt, die Rasten malträtiert, Gummi verloren, oder die Regelgrenzen der Sicherheitssysteme ausgelotet haben wir fast alle. Gott sei Dank ging es bei den insgesamt drei Stürzen immer glimpflich ab.
Aber zurück zur F650 GS mit zwei Zylindern und mir. Die Anreise über ca. 120 km war entspannt, obwohl zum ersten Mal die Variokoffer zum Einsatz kamen, mit Maximalvolumen. Reifendruck und hinteres Fahrwerk vorher ein bißchen angepaßt, 'Klick-Klack' die Dinger eingehängt, Fahrroutenkarte ins Sichtfenster des Tankrucksacks, beim Tanken beide Kilometerzähler abgenullt und los ging's. Erleichtert habe ich festgestellt, daß die beiden breiten Koffer das Fahren auf der Landstraße bis ca. 129 km
nicht negativ beeinflussen. Hatte da im Vorfeld einigen Respekt. Zweiter Verdacht: Verbrauch steigt dabei auch nicht stark. Von letztem später mehr.
Beim Training konnte ich mir wahrscheinlich keinen besseren Partner wünschen, obwohl das allein aber nicht zu reichen scheint. Eine andere, arme, rote 650GS wurde zu Boden gebracht... Aber mein Kälbchen machte es mir einfach nur leicht. Ich konnte mich voll auf die Übungen konzentrieren und mußte mich eigentlich nicht mit dem Motor, dem Fahrwerk oder den Bremsen auseinandersetzen. Zum ersten Mal hatte ich beide Beine auf einer(!) Seite des Motorrads, oder beide Knie auf der Sitzbank
. Naja, einige andere haben auf dem Tank gesessen - die Beine dabei voraus, oder haben auf der Sitzbank gestanden, alles auch beim Kurvenfahren. Respekt!
Die kleine GS war gutmütig in allen Übungslagen, bis auf einen Aussetzer des ABS mit blockierendem Vorderrad und abhebendem Hinterrad
. Aber darüber in einem anderen Beitrag mehr. Die Handhabung der F650 GS ist einfach, das Motorrad ist gutmütig, ohne dabei langweilig zu sein. Und neben den ganzen imposanten chromblitzenden Eisenhaufen, martialischen, schwarzen Renneisen, oder luxuriösen Reisedampfern, haben ich mich auch nicht benachteiligt gefühlt, bei der Erfüllung meiner Bedürfnisse. Im Gegenteil!
Beispiele: Rangieren per Hand oder Fuß ist ganz einfach, andere mußt oft schnaufen. Fast alle mußten vor der letzten gemeinsamen Ausfahrt(ca. 100 km) tanken. Ich nicht. Ich bin mit einem Tank von daheim, über das Training bis nachhause gekommen. Die Reisedampferkapitäne waren stolz auf über 400 km Reichweite mit 28 Liter Tankvolumen. Bei mir sind's regelmäßig ca. 370-380 km mit 16 Liter Tank ohne dabei komplett auszutrocknen. Die großen Schiffe verkraften etwas über 200 kg Zuladung und wiegen dann 0,55 Tonnen. Der verbrauchsgünstigen F650 GS kann man 236 kg - abzüglich Ausstattungsgewicht - auf Kreuz knallen. Die Fuhre wiegt dann immerhin ca. 435 kg. Von den durstigen Röhrhirschen mit minimalem Soziuskomfort und Zuladungen von weit unter 200 kg möchte ich gar nicht schreiben...
Klar, für jeden Zweck gibt es Speziallisten, die dann alles immer besser können, für eine bestimmte Klientel. Mein persönliches Fazit - als blutiger Fahranfänger mit knapp 3.000 km und gut 2 Monate nach Schein plus 1.000 Ausbildungskilometer auf F650er GSen: die kleine kann vieles und dabei auch fast alles ziemlich gut. Noch mache ich mir keine Sorgen, daß ich mich nach einem schnelleren, stärkeren, größeren, oder hochwertigeren Motorrad umsehen muß. Aber wie Du schon schriebst: Abzuwarten bleibt die Erfahrung beim Touren zu zweit mit Gepäck. Die Ausrüstung meiner Liebsten vervollständigt sich so langsam und mein zweirädiges Selbstvertrauen steigt derweil. Warten wir's ab. Ich werde berichten.
Ach so: Von Standes- oder Markendünkel, Intoleranz oder ähnlichem war beim Training nichts zu erkennen. Außer vielleicht dem überzogenen, unerschütterlichen Glauben einiger in die Jahre gekommener Zeitgenossen daran, daß alles was es bei BMW für viel Geld einfach zu kaufen gibt ihr Geld immer voll wert wäre und deshalb sowieso immer das beste ist. Inklusive der potthäßlichen Baumwoll(!)-T-Shirt, die sie bei 26 Grad und praller Sonne unter der Kombi trugen... Aber trotzdem bin ich persönlich mit meinem Bike, dem Zubehör und den Klamotten vom Hersteller bisher sehr zufrieden. Bis auf Ausnahmen beim ABS und der Verabeitung...
Todmüde, aber durchtrainierte Grüße
freshman