BMW Santiago <> Daytona Trans Open GTX: Vergleich
VERSCHLUßSYSTEM UND ANPASSBARKEIT BMW SANTIAGO
Der Santiago hat drei Verschlüsse je Stiefel: eine Klappschließe im Ristbereich, eine weitere im Knöchelbereich, und einen großflächigen, nach außen schleißenden Klett im Schienbeinbereich. Die Schließen sind wertig und kinderleicht zu bedienen. Anziehen ist einfachst: Fuß rein, zu machen, gut is.
An- und abschwellenden Füßen begegnet man mit Verstellung der Schließen und Neujustierung des Klett. Die oberen Schließen im Knöchelbereich lassen sich sehr einfach regulieren, die vorderen im Ristbereich wollen manchmal nicht richtig, da eine Neueinstellung Platz braucht, der an dieser Stelle kaum vorhanden ist.
VERSCHLUßSYSTEM UND ANPASSBARKEIT DAYTONA TRANS OPEN GTX
Der Trans Open ist raffinierter und aufwendiger, aber auch komplizierter beim Anziehen. Dabei ist er individueller einstellbar. Es gibt eine herausgearbeitete Zunge, die ab Ristmitte bis zur Schaftoberkante reicht. Sie wird mit zwei sehr stabilen symmetrischen Reißverschlüssen links und rechts nach oben zugezogen. Über die Reißverschlüsse werden Lederbesätze gelegt (zwo links, zwo rechts) und mit Klett fixiert. Die Besätze treffen sich etwa oberhalb des Knöchels-, wobei der obere Besatz über den unteren ragt, was für die Dichtigkeit sinnvoll erscheint. Nach dem ersten Probestehen kann schon mal ein Nachjustieren der Klettverschlüsse notwendig sein, da mit Ihnen auch die Schaftweite beeinflußt werden kann.
Im hinteren Schaftbereich sind links und rechts weitere Klettverschlüsse, was eine im Vergleich zum Santiago sehr symmetrische Anpassung der Schaftweite erlaubt. Hier hinten habe ich auch die "Standardvorgabe" meiner Schaftweite einmal eingestellt und seitdem nicht wieder verändert.
VERSCHLUßSYSTEM UND ANPASSBARKEIT - MEINE MEINUNG
Meine Hühnerbeine fühlen sich im Trans Open besser, weil straffer umfaßt als im kegelförmigen Santiago. Der auf schmalerem Leisten gearbeitete Trans Open sagt mir auch im Fußbereich mehr zu: der Fuß sitzt (wie bei gutem Schuhwerk üblich) hinter dem Ballen und in der Wölbung am festesten, aber nicht eng.
Im Fersenbereich ist für mich in beiden Botten Spiel. Der Santiago erlaubt großzügigeres Zehenspiel. Das erscheint mir zweischneidig: einerseits mag ich es, bei Hitze mal Zehenklavier zu spielen; beim Trans Open fühle ich mich da - bei Konzentration darauf, genau jetzt und hier bei dieser HItze auf dieser Strecke mal eine Prelude hinklimpern zu wollen (was reichlich bescheuert ist) - manchmal paranoid beengt ("Alle meine Entchen" geht aber noch). Anderseits geht mir der Greifreflex meiner Zehen beim Schalten runter wie hoch ziemlich auf die Senkel, weshalb ich die beruhigende Strenge des Trans Open auch im Zehenbereich bevorzuge.
MEMBRANE
Die Membran ist bei beiden Stiefeln die Gleiche. Der Trans Open hat hinter der Zunge, wo sich die beiden Schaftseiten begegnen, eine Gummierung über der Membran, die sich wie dünne Gummistiefel anfühlt. An einen materialschonenden Aussparungs- oder sonstigen Streifen statt oder über der Membrane im "Ferseneinzugsbereich" über den gesamten Schaft ist bei beiden Stiefeln gedacht worden. Beim Trans Open macht sie einen wertigeren Eindruck, allerdings ist die vom Santiago bereits völlig ausreichend.
SCHALTVERSTÄRKUNG BMW SANTIAGO
Für mich ein echtes Ärgernis: der Santiago hat eine viel zu weit nach hinten versetzte und viel zu kleine Schaltverstärkung, die ich nicht mal mit Originalfußrasten richtig getroffen hatte. Mit Pivot Pegz: unmöglich.
Die Schaltverstärkung sitzt nur links, d. h. die Stiefel sind im Ristbereich außen unsymmetrisch dekoriert.
SCHALTVERSTÄRKUNG DAYTONA TRANS OPEN GTX
Der Daytona hat - aus welchem Grund auch immer - links und rechts Schaltverstärkungen.
Macht m. E. nur bei klappbaren Bremshebeln Sinn (soll es ja auch geben). Die Schaltverstärkung ist im Vergleich riesig von der Fläche her und damit für mich besser zu treffen. Die Stiefel schenken sich im Vergleich der Höhe im Bereich der Schaltverstärkung übrigens nix.
GEHEN UND STEHEN IM BMW SANTIAGO
Ja. Der Cowboygang halt. Starres Abrollverhalten, das mit bedingt steigeisenfesten Bergstiefeln vergleichbar ist. Dafür gibt der Knöchelbereich vorn (Ristknick) mit der Zeit deutlich nach, d. h. wird beugsamer.
Stehen ist äußerst entspannt möglich, weil der weiche Rist ein gutes Einbeugen ermöglicht. Meine Neigung zu Platt-, Senk- und Spreizfüßen (quasi die Scholle und den Platschen) machte der Santiago leider einen Tick zu sehr mit.
Die Kontrolle im Gelände ist für mich ein bißchen zu schwammig. Das liegt vor allem an der (zunehmenden) Biegefreudigkeit im Ristbereich und dem weit geschnittenen Schaft.
GEHEN IM UND STEHEN DAYTONA TRANS OPEN GTX
Jaha. Der gute Schuh rollt ab, trotz Stahleinlage im hinteren Bereich der Sohle. Ein gerades Gehen ist möglich. Allerdings sind die Schritt kleiner: durch die engere Fassung auch im Ristknick ist kein so kleiner Winkel vor dem (beim Gehen vor dem Abheben des hinteren Fußes) möglich wie beim Santiago.
Beim Stehen und nach vorn lehnen Wollen wird man bei sportlicher Klettschließung beim Trans Open mit Nachdruck daran erinnert, daß man Schaftstiefel anhat. Die Beugung ist nicht so ausgeprägt möglich wie beim Santiago. Für mich kein Thema, ich stehe gern gerade. Angenehm finde ich, daß der Trans Open über lange Zeit bisher seine gute Führung und Paßform beibehalten hat.
Die Kontrolle im Gelände ist dank der eng einstellbaren Paßform grandios. Langes Stehendfahren und Druck auf die Pedale ist durch die Stahleinlage in der Sohlenkonstruktion wunderbar möglich.
SCHIENBEINSCHUTZ
Der Schienbeinschutz beim Santiago ist durch einen verstärkten Lederkeil realisiert, beim Trans Open dagegen mit verdeckter Kunststoff-Verstärkung. Der des Santiago läßt sich ausgezogen per Hand eindellen, der des Trans Open nicht.
ZEHENKAPPEN BMW SANTIAGO
Die Zehenkappe aus Blech (mit eingeprägtem BMW-Emblem
) ist beim Santiago ab der Fußsohlenunterkante in einzelne Segmente aufgespalten - ab dem ersten Rempler sitzt dadurch ein Segment verschoben zum anderen. Dadurch werden die Grate exponiert und beim Aufschwung aufs Pferd sind Kratzer an Trägern oder Koffern nur durch Achtsamkeit zu verhindern.
Die metallene Zehenkappe des Santiago hört sich nachts um halb zwölf beim Rangieren aufgrund des Abstandes zwischen der Kappe und der Sohle ein wenig nach tipseligen Stöckelschuhen an. Das paßt so sehr zur GS, daß es mich wundert: beim 1er BMW hat man beim Türschließen auch nicht den Eindruck, eine Keksdose zuzumachen. Akustikingenieure, an die Front bitte!
ZEHENKAPPEN DAYTONA TRANS OPEN GTX
Beim Trans Open teilt sich die massivere Kappe erst ab der Oberkante der Sohle in einzelne Segmente - hier kratzt lange Zeit nichts. Dafür sind die BMW-Kappen auch auf der Unterseite zum Schrauben (ich empfehle Blechschrauben 2,9 x 9,5 mm in Linsenkopf, da halten die Kreuzschlitze länger als bei Senkkopf), beim Daytona hingegen genietet.
Die Kappe liegt beim Trans Open eng an der Sohle an, akustische Sperenzien gibts hier nicht.
SONSTIGE KLEINIGKEITEN
Der Santiago hat im Komfortbereich der Ziernähte oberhalb der Ferse haltbares Reflexmaterial eingearbeitet, der Daytona nicht.
Die Daytona sind höher, was ggf. eine Verstellung des Knie-Protektors nach oben sinnvoll, aber nicht zwingend macht.
FERTIGUNG BMW SANTIAGO:
Somewhere over the Rainbow. Ich weiß es nicht. Wer kann helfen?
FERTIGUNG DAYTONA TRANS OPEN GTX
Video- und bildbeschriebener Fertigungsprozess, siehe Homepage. Das Ganze im heimischen Bayern (jawohl! in Eggenfelden!) und damit v. a. bzgl. der Arbeitsplätze und entlang der Wertschöpfungskette meinem lieben Vaterland zuträglich.
SERVICE BMW SANTIAGO
Nach einer schriftlichen Mängelanzeige will das BMW Moppedzentrum die nicht ganz ein Jahr alten Santiago anstandslos zurücknehmen. Hu!
I like. Hier hat sich die Leitung des Moppedzentrums persönlich in mehreren Mails gekümmert.
SERVICE DAYTONA TRANS OPEN GTX
Nur vom Hörsagen bekannt. Beim Cheffe (nicht unserem hier) von Louis in der Balanstraße in München sind anscheinend 2 15-jährige im Einsatz, die immer wieder fleissig und kostengünstig von Daytona hergerichtet werden. Er fährt auf seiner KTM Adventure jedenfalls reichlich zufrieden damit herum. Auch Individualisierungen hinsichtlich der Paßform sollen problemlos möglich sein. In Eggenfelden gibt es anscheinend auch einen Lagerverkauf mit 20 % Abschlag (der Ort ist ansonsten nicht unbedingt ein Reise wert, das umliegende Rottal ansonsten schon).
FAZIT BMW SANTIAGO
Der BMW Santiago ist ein Schuh wie ein Wohnzimmer, der einen sommers wie winters nicht im Stich läßt. Stundenlang peitschendem Regen und "unpräzisem" Schalten (siehe oben, falsch platzierte Schaltverstärkung) war meine Ausgabe leider nicht gewachsen.
Die wilde Optik aus dem Materialmix (Glattleder, Wildleder, Cordura) paßt gut zur GS. Das Schutzempfinden ist tadellos, wenn auch der Eindruck hier eher in Richtung Touring-, als Endurostiefel geht.
Deutlich erkennbar: ein Stiefel für den Schnitt der breiten Masse an BMW-Fahrern mit breitem Leisten und eher weitem Schaft.
FAZIT DAYTONA TRANS OPEN GTX
Der Trans Open kommt für mich als Zwitter zwischen Sportstiefel und Endurostiefel daher. Durch die vielen Einstellmöglichkeiten ist eine im Schaft großzügigere Touring-"Schnürung" möglich. Die Schnittauslegung interpretiere ich aber wie gesagt eher in Richtung sportlicher Endurostiefel.
Das paßt gut zum GS-Thema "eierlegende Wollmilchsau".
Da der Trans Open eng angelegt werden kann und das Sicherheitsempfinden auch im Gelände (Alpenpässe in Enduromanier, Mecklenburger Seenplatte) enorm ist, verzichte ich auf ein paar explizite Endurobotten, die ich mir beim Santiago noch zugelegt hätte.
Darum bin ich vor allem deswegen froh, weil ich mir so ansonsten unvermeidbare stiefelspezifische Einstellfummelei an meiner Schaltanlage erspare.
Seit ich die Daytona habe, liebe ich sie und glaube, auf der Suche nach den besten Preis-/Leistungsmarken (ein Spleen von mir) einen weiteren Treffer gelandet zu haben. Hier bleibe ich erstmal.
PFLEGE VON STIEFELN MIT GORE-TEX-MEMBRAN
Mir liegt die Pflege der Stiefel (ein Paar Halbschuhe für einen vergleichbaren Preis würde ich auch ausgiebig pflegen). Insbesondere auf der GS sind Lederstiefel durch die Nähe zum Krümmer Hitze ausgesetzt, die im Sommer zumindest zwei zusätzliche gut aufgewärmte Gummis garantiert.
Für die Lederpflege achte ich auf eine fett- und ölarme Spezialpflege (also bitte genau keine Bundeswehr-Lederpflegemittel), die das Leder nicht verschließt und der Membran so die Arbeit ermöglicht. Daytona hat wohl auch noch einen speziellen Nässeschutzschaum für den Auftrag über das Leder im Programm.
Die Santiago sind in der Pflege etwas aufwendiger aufgrund des Materialmixes und vieler Überdeckungen (Winkel, Kerben etc.) im Vergleich zu den Trans Open, die aus einer großen Oberfläche zu bestehen scheinen.
Das wars (is ja auch genug
). Hoffe, es hilft dem ein oder anderen.
Christian