Hi
Natürlich gibt es Schraubverbindungen bei denen das Drehmoment eine Rolle spielt und auch die Schmiersituation vorgegeben wird.
Bekanntes Beispiel dürften die Dehnschrauben an den Pleuelfüssen sein (neu, sauber, gut geölt). Voranzug nach Drehmo dann nach Drehwinkel.
Bei den Helis wird auch die Ölsorte vorgegeben.
Was Drehmoment ist und wie genau man es in der Praxis messen kann habe ich während des Studiums im Siemens-Forschungszentrum (FTE-42) bei einem halbjährigen Praktikum ziemlich exzessiv gelernt. Wir haben da allerhand Dreh-und Messzeug für die Fertigung erdacht.
Deshalb auch die Erkenntnis: Solange alle Komponenten neu sind bewegen sich die Differenzen bei einer, mit Standardwerkzeug ausgeführten Verschraubung, innerhalb einer Toleranz. Will man die Toleranz deutlich einschränken (egal ob das sinnvoll ist oder nicht), muss man richtig Aufwand betreiben. Erster Schritt ist es, definierte Schrauben, Scheiben, etc. zu verwenden (gibt's z.B. bei Würth).
Noch vorher kommt die Frage was man eigentlich verspannen will. Z.B. Feuerverzinkte Bauteile sind nicht ganz einfach weil die Zinkschicht relativ unberechenbar ist. Das Zeug ist weich und setzt sich (grosse Schwerlastscheiben statt normaler "Beilagscheiben" obwohl gar keine "Last" auftritt).
Für alle Arten angetriebener Schrauber (elektrisch, Pressluft, etc) gilt: Wenn's darauf ankommt muss sogar die Rotationsmasse des Schraubers mit in die Überlegung einfliessen weil die, in dem Augenblick in dem der Schrauber drehmomentgesteuert abschaltet, durch ihre Masse und Drehzahl "nachhaut" (Hydraulikantrieb ist aufwendig aber leichter zu steuern). Je nach Materialpaarung, Werkzeuglänge, etc. federt die Verschraubung (Torsion, Materialelastizität). Also nix mit "beliebiger" Verlängerung für die Nuss. Wackelige Nüsse? Nicht bei wirklich präzisen Verschraubungen! Ob die Vorgaben richtig gerechnet sind ist eine andere Frage. An einige der Anwendungen der (damals) KWU in Kernkraftwerken kommt so schnell kein Mensch dran.
"Spassig" ist es wenn im Kernkraftwerk eine von 100 Schrauben reisst und sich jeder die Frage stellt weshalb und wie lang die anderen 99 noch halten. Der einzige Trost: An den wirklich interessanten Stellen wird man es gar nicht merken weil man nicht hinsehen kann. Selbst alte(!) Überwachungskameras sterben im Hochstrahlungsbereich innerhalb von Minuten. Neue, mit hochintegrierten Schaltungen, benötigen nur Sekunden.
Dagegen sind Verschraubungen mit unberechenbaren Komponenten (angegammelte Radschraube, verdengeltes Gewinde) einfach mit mehr Sicherheit zu berechnen. Wobei es bei einer Radschraube gar nicht so wichtig ist. Die bricht/reisst im äussersten Fall aber es gibt ja nicht nur eine.
Meine Behauptung bei Radmuttern/schrauben: Das vorgeschrieben Anzugsdrehmoment schützt in erster Linie vor den vollkommen unberechenbaren Pressluftschraubern der Werkstätten. Grad' mit maximaler Lösekraft eine 10 Jahre alte Verschraubung am Landwirtschaftshänger aufgehämmert, dann umgeschaltet und ein Feingewinde "fest" angezogen! An meinem NSU-TTS machte es in dieser Situation "Ra-Ta-Ta-Tuiii". Der Mechanikus wollte das gar nicht gehört haben und natürlich hatte nicht er das Gewinde vom Stehbolzen gerissen.
Ob dann Hersteller A schreibt seine Radbolzen wären mit 110Nm und die von B mit 114 Nm festzuziehen interessiert doch weniger.
Die aktuell "vollkommen kraftlos" mit dem Pressluftschrauber "reingeleierten" Schrauben sitzen teilweise schon "ziemlich fest" und ich bin froh wenn ich sehe, dass sich beim Nachanzug mit dem Drehmo die Schraube noch etwas drehen lässt. Nur bei einem von 4 Reifendiensten die ich kenne wird die Skala des DreMoschlüssels vor jedem Schraubfall wirklich angesehen und bei Exoten sogar erst mal das angestrebte Drehmoment erfragt.
gerd