Im Grunde liegt das Problem doch ganz woanders. Das Kernproblem das wir in D mit dem Strassenverkehr haben ist einfach das Bestehen auf "unserem" Recht. Viele sind immer so begeistert von Frankreich oder Italien, das es sich dort zum Teil so entspannt fahren lässt liegt doch an der Rücksichtnahme. Wenn man in Italien eine Kolonne überholt wird bei Gegenverkehr Platz gemacht und man kann wieder einscheren. Das ist in Deutschland undenkbar.
Die immer wieder erzählte Mär vom ach so entspannten Motorradfahren in Südeuropa hat zwei Haken. Erstens: In .fr, .it und .es sterben prozentual mehr Motorradfahrer im Straßenverkehr als bei uns. Das ist schon seit Jahrzehnten so und hat zum Beispiel in .fr dazu geführt, dass die Flics inzwischen massiv durchgreifen. Auch aus Italien sind immer wieder Schikanen zu hören, die in .de undenkbar wären, zum Beispiel dreimonatige Beschlagnahme des Moppeds wegen eines Helms, der keine ECE hat oder eines Nummernschildes, das mehr als 30 Grad geneigt war.
Und zweitens: Die Zeit, wo jeder italienische Verkehrsteilnehmer das Geschehen vor seinem Auto aufmerksam beobachtet hat, sind endgültig vorbei, seitdem jeder zweite mit einem "Telefonino" am Ohr durch die Gegend eiert. Die Italiener haben Berlusconi gewählt, sie sind also im Schnitt bestimmt nicht intelligenter als wir. Und mit einem Handy am Ohr, dem sie 75% ihrer Kanalkapazität widmen, sind sie im Straßenverkehr genauso brandgefährlich wie überforderte Holländer.
Also hört auf, euch selbst zu belügen: Anderswo ist es auch nicht besser als bei uns. Außerdem hilft der Wunsch nach italienischen Verhältnissen nicht weiter, solange wir in Deutschland wohnen.
Allerdings habe ich schon den Eindruck, dass die Langsamfraktion häufiger und mahnender mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt.
Nun ja, man darf nicht vergessen, dass jemand, der sich immer an die StVO hält, in den Augen viele Motorradfahrer schon zur "Langsamfraktion" zählt. Ich verstehe ja durchaus, dass sich viele Motorradfahrer ungern von anderen darüber belehren lassen, wie sie fahren sollen oder nicht, aber wie soll denn bitteschön der "mahnende Zeigefinger" der Schnellfahrer gegenüber den Langsamfahrern aussehen? "Na los, jetzt gib mal ein bisschen Gas, du bist noch längst nicht in den Flenspunkterängen!", oder wie? Was mich persönlich an exzessiven Regelübertretern stört (das Keyword in diesem Satz lautet "exzessiv"), das ist ihre Rücksichtslosigkeit gegenüber der Gemeinschaft. Sie versauen unseren Ruf, was immer weiteren Restriktionen und Schikanen Tür und Tor öffnet, Stichwort: Streckensperrungen. Und mir persönlich erschwert jeder Depp auf zwei Rädern, den meine Frau im Straßenverkehr sieht, die Diskussion mit ihr über mein Hobby.
Aber da kann man durchaus auch gegen eine Wand reden, das ist ähnlich sinnvoll. ich habe mich einmal eine ganze Nacht lang mit dem Leiter Fahrversuch Nutzfahrzeuge bei Mercedes-Benz gestritten, der ernsthaft und völlig uneinsichtig die Meinung vertrat, wenn er irgendwo mit 220 lang müsse, dann hätten ihm die anderen auf der linken Spur bitteschön sofort Platz zu machen. Es ist halt so, ein signifikanter Teil der deutschen Bevölkerung hat 'nen soliden Knall. Anders sind die Anwesenheit der FDP in der Regierungskoalition und die Einschaltquoten für DSDS nicht zu erklären.