Gerd,
ich kann mich Deinen Ausführungen nur anschließen. Hier noch weitere Informationen:
a) Jede Schraube wird beim Verschrauben gedehnt, egal ob Dehn- oder normale Schrauben. Der Vorteil der Dehnschrauben ist, daß sie besser geeignet sind für schwingende / wechselnde Belastungen (Zylinderkopf) und thermische Beanspruchungen.
Die Dehnung darf -von Ausnahmen abgesehen- immer nur im elastischen Bereich liegen, weil sich sonst
- die Vorspannung der Schraube lockert und
- die Belastbarkeit der Verbindung reduziert wird.
Zudem liegen brauchbare Werkstoffdaten für die Schrauben und die Mutterwerkstoffe in vielen Fällen nur für den elastischen Bereich vor.
b) Untersuchungen haben ergeben, daß ein Mensch üblicherweise kleine Schrauben (< M8) zu fest anzieht und große Gewinde zu locker, wenn er keinen DrehMo oder anderes Hilfsmittel benutzt.
c) Die Anzugsdrehmomente, welche vom Hersteller angegeben wurden, setzen zwingend auch nach Anweisung vorbehandelte Oberflächen (Unterseite Schraube / Gegenseite auf Werkstück) voraus. Eine gefettete oder sehr glatte Oberfläche erfordert erheblich andere Momente als eine trockene oder rauhe Fläche. Im Zweifelsfall: Alle Oberflächen vor Montage fettfrei und sauber machen. Weiterhin: Die Anzugsdrehmomente gelten nur für Schrauben mit vorgeschriebener Länge (Einschraubtiefe, tragende Gewindelänge) und vorgeschriebener Qualität. Das Muttergewinde darf nicht beschädigt worden sein!
d) Schrauben werden in ihrer Belastbarkeit gekennzeichnet durch zwei Zahlen auf dem Schraubenkopf. Dies ist in der EU Gesetz. In der Reihenfolge der Belastbarkeit gilt:
4.6 schlechter als 8.8 schlechter als 10.9 schlechter als 12.9, für VA-Schrauben siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schraube_(Verbindungselement)
Vorsicht insbesondere bei Schrauben, welche mit 10.9 oder höher gekennzeichnet sind, wie zum Beispiel die Lenkerbefestigungsschrauben bei der 1200GS. Diese Schrauben sind deutlich teurer als geringwertigere, und wenn der Hersteller diese verwendet, dann hat er sich dabei auch etwas gedacht. Immer nur durch gleiche Schrauben ersetzen, sonst kann es gefährlich werden!
Schrauben ohne Kennzeichnung sind billige Baumarktprodukte und dürfen nicht für sicherheitsrelevante Verschraubungen verwendet werden!
e) Schraubensicherung
Es gibt keine wirklich zuverlässige Schraubensicherung (Ausnahme: Splint). Sämtliche Varianten von Unterlegscheiben, welche früher verwendet wurden (Sprengringe, Federringe etc) sind unwirksam. Loctite wird allgemein angewendet, bietet aber auch keine absolute Sicherheit gegen Lösen.
f) Hochbelastete Schraubverbindungen, die insbesondere dynamischen Lasten unterliegen, werden oft mit geringerem Drehmoment angezogen als in den üblichen Tabellen stehen (Tabellenbuch Metall) bzw. als es maximal möglich wäre. Durch das lockerere Anziehen wird die Dauerfestigkeit der Verbindung erhöht. Diese Vorgaben müssen eingehalten werden!
g) Mehrmaliges Verwenden von Schrauben: Man ist auf der sicheren Seite, wenn man Schrauben nur einmal verwendet. Gründe:
- Sind die Schrauben beim erstmaligen Anziehen evtl. falsch behandelt worden (zu fest angezogen worden), so haben sie in Teilen plastiziert d.h. sich bleibend verformt (wie eine Büroklammer, die gebogen wurde). Solche Bereiche -und damit die gesamte Schraube- sind nicht so belastbar wie eine unverformte Schraube.
- Die Muttergewinde könnten ebenfalls beschädigt worden sein. Die Haltbarkeit ist dann besser mit einer neuen Schraube.
- Verklebungsrückstände / Fettverkrustungen können nicht immer restlos entfernt werden.
- Es mag sein, daß manche Schrauben beim Anziehen gewollt überdeht werden (plastizieren). In diesem Fall dürfen diese Schrauben nicht wieder verwendet werden.
Es dürfte immer sinnvoller sein, die gleiche, hochfeste Schraube (z.B. 12.9) wieder zu verwenden statt sie durch eine neue Schraube zu ersetzten, welche von unbekannter oder niedrigerer Qualität ist.
Grundsätzliches zur Auslegung von Schraubverbindungen:
So einfach eine Schraube auch aussehen mag, die Spannungszustände in der Schraube und insbesondere im Gewindegrund sind sehr komplex und bis heute noch nicht vollkommen geklärt. Die gängigen Theorien (Werkstoffe, Spannungshypothesen) kommen an ihre Grenzen. Auch mit einem Computer (FEA) können Schraubverbindungen nicht wirklich präzise ausgelegt werden. Die üblichen Bemessungsverfahren (DIN 2230) basieren auf Annahmen, Abschätzungen und empirischen Daten, mit denen man sich immer auf die sichere Seite legt. Fazit: Wenn der Konstrukteur richtig konstruiert hat, sind Schraubverbindungen immer mit erheblicher Sicherheit ausgelegt.
Viele Grüße
Alex