Tag 3: Nach Paessen und Autobahn wartet der Schotter - der suedliche Teil der LGKS
Am Vorabend auf dem Campingplatz beim Gutenacht-Trunk wird noch diskutiert, ob die LGKS wirklich so schwierig ist, wie es im Denzel steht und wenn ja, wie es dann sein kann, dass im Internet genuegend Bilder zu finden sind, wie die Strasse mit teilweise normalen Strassenmaschinen befahren wird. Einer der Mitstreiter stellt die etwas kuehne These auf, dass es sich bei der LGKS um einen schlechten Feldweg handeln wird... es dauert nicht mehr lange, dann wird es sich zeigen...
Wir gehen nochmals schwimmen im Meer und um genau 09:00 Uhr verlassen wir nach einer ausgiebigen Dusche und einem Espresso den Campingplatz. Ein letzter Blick zurueck zum Mittelmeer und wir fahren aus Camporosso raus in Richtung Pigna. Ausschauhaltend nach einem Supermarkt oder bevorzugterweise einem Tante-Emma-Laden fahren wir Richtung Pigna. In Dolceaqua sehen wir Menschen mit weissen Einkaufstueten durch die Gaesschen gehen und machen Halt.
Der kleine Tante-Emma-Laden ist schnell gefunden und wir decken uns ein mit Wasser, Baguette, Kaese, Wurst und ein paar Dosen Bier. Die Wasserflasche wird am oertlichen Brunnen nochmals gefuellt - ein Muss in einem Ort mit diesem wohlklingenden und vielversprechenden Namen. Und bei einer Zigarette beschliessen wir, den kleinen Laden, in dem Olivenoel feil geboten wird, aufzusuchen und ein Mitbringsel fuer die Heimat zu besorgen. Im Laden selbst trauen wir unseren Augen kaum: eine aeltere Dame steht im Laden hinterm Tresen, ueberall schmuecken Altertuemer, alte Geldscheine und alte Postkarten sowie Photographien die Waende. Wir bekunden unser Interesse an ein paar Flaschen Olivenoel. Als erstes erzaehlt uns die Ladenbesitzerin, dass Sie nur Oel verkauft aus Oliven die auf den Olivenbaeumen rings um Dolceaqua wachsen, verkauft und deutet durch das kleine Fenster auf die Olivenhaenge oestlich des kleinen Staedtchens. Danach schenkt sie uns in kleine Schnapsglaeschen verschiedene Oele ein, die wir verkosten sollen. Die Oele schmecken alle ganz hervorragend und so faellt jeder nach seinem Geschmack die Kaufentscheidung. Dass den Flaschen die auf uns wartende Schotterpiste etwas zusetzen koennte, bedenken wir nicht...
Die Strasse aus dem Ort gabelt sich und nachdem der richtige Abzweig ausgemacht ist, schlaengelt sich das schmale Straesschen den Berg hoch. Die Aussicht wird immer besser, die Vegetation veraendert sich stetig. Nach ca. 20min sind wir oben und stehen vor einem alten Bunker. Links geht es nun auf die LGKS. Voller Erwartung blicken wir noch einmal zurueck ins Tal und genehmigen uns noch einen letzten Kraftschluck aus der Alu-Flasche, befuellt mit feinstem Quellwasser aus Dolceaqua. Dann geht es auch schon los. Die Strasse, ein kleines Teerstraesschen, bringt uns - vorbei an freilaufenden Ziegen - an ein recht gut besuchtes Restaurant und von nun an geht es los: der Teer wird weniger, die Strasse schmaler und der Schotter wird grober und grober. Aufgeschuettete "Bremshuegel" erschweren die Fahrt. Beinahe lassen wir uns dazu hinreissen, ueber die Huegel zu springen. Dann wird der Belag aber zusehends schlechter und schneller als 15 - 20 km/h traue ich mich nicht, aus Angst um die Kuh und Bedenken, bei den spitzen Granitsplittern einen Platten zu kassieren. Zwei / drei km spaeter halten wir an. Nachdem die Helme abgezogen sind, muessen wir erstmals lauthals lachen und uns so langsam von unseren Vorstellungen des "schlechten Feldweges" verabschieden. Ein Blick den Berg hoch, verraet uns den groben Verlauf der Piste und wir ahnen, dass es noch "besser" kommen wird. Fahrerisch nicht sehr anspruchsvoll, aber materialmordend, bringt uns die in den Fels gehauene Piste nach oben und zu den ersten zerfallenen Kasernen. Dort gabelt sich der Weg und fuer uns ist nicht wirklich ersichtlich, wo die eigentliche "Strasse" weitergeht. Wir nutzen den kurzen Halt fuer eine Verschnaufpause und eine Zigarette und sind kurz davor, die Wanderkarten auszupacken. Mit einem Ohr vernehmen wir Motorengeraeusche. Da kommen sie schon: Vater und Sohn auf zwei Trialmaschinen arbeiten sich einen Waldweg hoch. Wir fragen die beiden, ob dies der Weg der Alta Via del Monti Liguri sei. Sie verneinen, sagen uns aber, dass sie von "einheimischen" Bauern hier lang geschickt worden waehren, da die eigentliche Route gesperrt sei. Wir haben bisher weder Verbotsschilder noch Schranken gesehen, verlassen uns aber auf die Aussagen und nehmen den einladend aussehenden Waldweg. Dieser ursaechliche Eindruck aendert sich bald. Aus dem einladend aussehenden Weg wird ein mit zwei etwas mehr als reifenbreiten Fahrspuren die vom Mittelstreifen etwa 30cm tiefer liegen. Somit ist klar: die Spur, fuer die du dich entscheidest, gehoert dir - egal was kommt. So marschieren wir weiter. Alsbald vernehme ich einen dumpfen Schlag - anders als die Steinbrocken, die staendig an die Motorschutzplatte und den Kruemmer daengeln - und einen starken Ruck an meiner Kuh. Sogleich hoere ich wie die beiden Motoren hinter mir verstummen und aus den beiden Helmen vernehme ich lauthals ein einstimmiges "Ohhhjeeee". Ich schaue nach hinten und sehe meinen linken Koffer etwas merkwuerdig abstehen. Ich befuerchte schlimmstes. Abgestiegen sehe ich aber, dass der Koffer von einer grossen Wurzel ausgehebelt wurde und haenge ihn wieder ein. Die Fahrt kann weiter gehen. Diese Passage durch den Wald war bis dato die schwierigste. Nun kommen wir wieder an eine Gabelung und sehen die Wegmarkierungen mit "AV" gekennzeichnet wieder. Aber auch ein "Durchfahrt verboten"-Schild. Die Koepfe werden geschuettelt. Man liest die ersten paar Zeilen des zweisprachigen (italienischen und franzoesischen) Schildes und diskutiert kurz, ob weitergefahren wird. Ich bitte darum, zu Ende zu lesen. Auf dem zweiten Blatt stehen dann ganz unten und ganz klein, fuer wen die Verbote gelten: fuer Autos, Quads, etc. Motorraeder und Mountainbikes sind eindeutig berechtigt. So setzen wir unsere Fahrt guter Dinge fort und gelangen abermals nach ein paar Metern Waldweg auf die eigentliche Strasse zurueck. Nach der Waldpassage faehrt sich der Schotter nun gleich viel angenehmer. So kaempfen wir uns durch bis zum Pas du Tanarel (2045m). Die alte KLE macht aber ab ca. 1900m Hoehe etwas Schwierigkeiten und mag das Gas nicht mehr so recht annehmen. So muss sie staendig auf Drehzahl gehalten werden und statt die Drehzahl abfallen zu lassen und somit ein Ausgehen der Maschine zu erreichen, wird die Kupplung gequaelt - bis sie stinkt!
Oben angekommen - es ist bereits ca. 16:00 Uhr - schauen wir uns erstmal ausgiebig um, bevor wir aus den durchnaessten Klamotten schluepfen um uns dann die aufgebrauchte Energie in Form eines halbwegs kuehlen Bieres wieder einzuverleiben. Eine Dose haette es fast zerlegt in meinem Koffer - diese war bereits gut angeschliffen. Beim Kollegen ist eine hops gegangen. Und zum Biergeruch aus dem Topcase gesellt sich eine leichte Oliven-Note... :-) Man ahnt es schon: die zuvor gekaufte Flasche hat ein wenig ihres Inhaltes im Topcase entleert. Dies nehmen wir zum Anlass, das Chili-Olivenoel am Abend ausgiebig zu kosten. Zuvor wird aber noch auf den gegenueberligenden Gipfel gewandert, von wo aus die Aussicht noch besser ist.
Oben angekommen muss die zweite - und leider letzte - Dose Bier daran glauben. Von hier oben sieht man alles - auch von Weitem bereits, wie sich eine gefuehrte Gelaendewagen-Truppe die Strasse hochschlaengelt. Wir verlassen den Gipfel wieder um uns zu den Fahrzeugen zu begeben. Alsbald treffen auch die Gelaendewagen-Touris ein. Kurzer Stopp, Fenster auf, Photo machen, und weiter... In jeder Kehre muessen sie nachsetzen... aber sie hetzen ihre Vorstadtpanzer den Berg hinunter.
Jetzt sind wir wieder allein - abgesehen von den Schafen ringsum. Allein durch Schauen und Geniessen verbringen wir die Stunden ehe wir uns ueber unseren Proviant her machen. Reizueberflutung.
Puenktlich zum Vesper kommt von Norden her ein Yamaha XT Fahrer. Er sieht uns auch gleich und haelt bei uns an. Nach einem freundlichen "Buona sera" fragt er uns nach dem Weg ins Tal und erzaehlt uns vom noerdlichen Teil: "Near Limone, the road consists of large stones... it's difficult - but it's fun..." Dann faehrt er ab - er muss sich sputen, denn es daemmert bereits.
Erfahrungsgemaess wird es auf ueber 2000m bei Nacht recht kuehl und auch der Wind frischt vom Tal her bereits auf. So suchen wir uns einen netten Platz an einem Fels, an dem wir vom Wind etwas geschuetzt die Nacht verbringen koennen. Wieder vernehmen wir Motorengeraeusche. Ein Anwohner quaelt seinen kleinen Suzuki Swift den Berg hoch. Er macht ein paar Photos und wir sprechen Ihn an, da wir uns doch etwas wundern, wie er mit dem Wagen den Berg hoch kommt. Im Gespraech erzaehlt er von seiner halb-deutschen Grossmutter. Sagt aber, dass er niemals deutsch gelernt hat. Er empfiehlt uns dann aber noch, ein "Refugio" fuer die Nacht aufzusuchen. Wir wollen aber unter freiem Himmel schlafen und die untergehende und aufgehende Sonne direkt geniessen. So kommt es, wie es kommen muss. Die Temperatur sinkt von zuvor ueber 30 Grad auf unter 5 Grad bei Nacht. Wir froesteln leicht. Im Schlafsack wird es dann aber doch einigermassen warm und so schlafen wir dann gluecklich und zufrieden ein - voller Erwartung, was uns am naechsten Tag auf dem Nord-Teil erwarten wird... Den einzelnen Mountainbiker, der ohne Licht - nur vom Mondlicht erleuchtet - kurz vor 11 Uhr abends an uns vorbei strampelt, sehen wir. Er uns wohl eher nicht... Verreuckte Leute hier oben...
66km, Fahrzeit ca. 5:36 Std
Fortsetzung folgt...