Kuhjote
Themenstarter
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- 06.06.2006
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- Modell
- R 1200 GS 06 nix MÜ,TÜ,LC einfach nur so
Rolf war pünktlich.
Das war irgendwie keine besondere Überraschung, denn Rolf ist immer pünktlich.
Sein alter grüner Passat bog um die Ecke und zerrte mit offensichtlicher Mühe einen riesigen Anhänger hinter sich her.
Der Passat stoppte direkt neben meiner GS und Rolf sprang heraus.
„ Morgen, mein Freund“, begrüßte er mich fröhlich.
„ Und ob … wo hast du denn diese Kiste her?“, fragte ich entsetzt.
„Franky …!“, erwiderte Rolf ungerührt. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er auch noch stolz darauf war.
„Das ist doch ein Pferdeanhänger. Ein umlackierter Pferdeanhänger!“, bemerkte ich ungläubig. „Du hast mir doch erzählt, dass du den Anhänger vom letzten Jahr …“.
Rolf blieb völlig ungerührt: “Der war kaputt, da bin ich schnell bei Franky vorbei gefahren und hab mir den ausgeliehen. Der ist doch super, oder..?“
Super … und ob !
Ein in glänzendem dunkelbraun lackierter Doppelachs-Pferdeanhänger mit riesigen Harley-Davidson-Emblemen auf den Seitenwänden.
Wenn der nicht super war!
„Pass mal auf, da kommen jetzt noch zweimal 240 kg rein. Was glaubst du wohl, was das Ding dann wiegt. Wie viel darf die Karre hier denn überhaupt ziehen?“, fragte ich, mehr neugierig als ablehnend und beäugte dabei abschätzend den alten Passat.
Rolf zuckte die Schultern und klappte die hintere Ladewand des Anhängers herunter.
Die Diskussion war müßig. Rolf war der geborene Pragmatiker.
Wir mussten bis heute Abend in Tirol sein. Mit zwei BMWs auf einem Anhänger.
Das war der Plan. Und hier war der Anhänger.
Was gab es da zu diskutieren!
Gut, andere Zeitgenossen hätten jetzt im Fahrzeugschein nachgesehen, ob dieses Gespann überhaupt der StVO entspricht. Oder sie hätten sich ernsthaft Gedanken darüber gemacht, ob man mit einem derart peinlichen Harley-Anhänger mit zwei BMWs vor einem Bikerhotel vorfahren kann.
Rolf war das alles völlig egal. Rolf war nämlich von Hause aus … Harleyfahrer.
Mehr durch Zufall als aus Überzeugung, aber dennoch konsequent.
Ansonsten hielt er sich an den alten Spruch: Papier ist geduldig.
Theorie und Praxis. Rolf ist ein überaus praktisch veranlagter Mensch. Von solch lächerlichen Kleinigkeiten, wie maximaler Anhängelast, lässt der sich nicht beeindrucken.
In dem Pferdeanhänger waren Schienen montiert. Das Verzurren meiner GS bereitete uns keinerlei Probleme.
Natürlich hätte ich meinen Krempel in einem Reisekoffer oder in einer Reisetasche transportieren können. Aber das kommt nicht infrage. Ich hatte alles in meinen beiden Motorradkoffern und in der Gepäckrolle untergebracht.
Auch das unterscheidet einen GS-Fahrer von einem Harley-Treiber.
Rolf hatte einen großen Reisekoffer dabei. Immerhin waren wir eine ganze Woche unterwegs. Lächerlich!
Keine Ahnung, was der alles eingepackt hatte.
Wir machten uns auf den Weg zum BMW-Händler. Zum vereinbarten Übergabezeitpunkt rollten wir mit unserem Monsteranhänger auf den Hof der Niederlassung. Der Mitarbeiter erwartete uns bereits.
Die rote 1200er Leih-GS stand schon abholbereit im Hof. Nachdem wir den unvermeidlichen Papierkram erledigt hatten, holte der Mitarbeiter tief Luft, um Rolf die technischen Geheimnisse des Fahrzeugs zu offenbaren.
Der Komiker hat tatsächlich ständig von ... dem Fahrzeug … gesprochen. Vermutlich hat er vorher die weißblauen Autos verkauft.
„Schon klar, wir haben noch eine lange Fahrt vor uns“, unterbrach ihn Rolf.
Ich erklärte dem eifrigen Verkäufer noch, dass ich den technisch desinteressierten Harley-Jockey höchstpersönlich in sämtliche Geheimnisse des „Fahrzeugs“ einweihen würde. Dann verabschiedeten wir uns schnell.
Die rote GS wurde hurtig neben ihrer gelben Schwester verzurrt und wir rumpelten schleunigst vom Hof.
Der alte Passat musste sich mächtig ins Zeug legen um die geschätzten 1,5 Tonnen, die erbarmungslos an seiner angerosteten Hängerkupplung zerrten, auf der Autobahn in Schwung zu bringen. Wir hatten etwas mehr als 700 km vor uns. Geplant hatten wir etwa acht Stunden für den Trip.
Wie die meisten Pläne endete auch dieser, direkt beim ersten Versuch der Umsetzung.
Ein Stau folgte auf den anderen. Bei andauernden Gefechten um die mittlere Spur, gegen diese allgegenwärtigen Lkws, zog der tapfer kämpfende Passat häufig den Kürzeren. Es erwies sich als nahezu unmöglich, das Gespann kurzfristig auf Geschwindigkeiten, von mehr als 90 k/mh zu beschleunigen.
90 Benzin-PS mögen für ein Motorrad ausreichen. Für ein etwa 3 Tonnen schweres Gespann mit acht Rädern ist das aber sicherlich ein bisschen wenig. Auch spontane Bremsmanöver zeigten mehr als deutlich, dass die maximale Anhängelast erheblich überschritten war.
Aber was soll’ s. Nicht immer ist der Weg das Ziel. Nicht immer!
Rolf zeigte sich allerdings völlig unbeeindruckt. Er prügelte seinen alten Passat mit demselben Gleichmut über die Bahn, wie seine geliebte Harley über diverse Alpenpässe.
Nach der Tour im letzten Jahr musste seine derart geschundene HD E-Glide, mehrere Wochen in „Frankys Harley-Klinik“ abhängen.
Verbogene Stößelstangen, mehrere schwere Ausnahmefehler im Primärantrieb, eine verschlissene Kupplung, eine verzogene Bremsscheibe und einige weitere Kleinigkeiten. Abgefahrene Weißwandreifen, zum Beispiel.
Mussten natürlich immer Originalteile sein, auch die Reifen
Nachdem ich die Rechnung gesehen habe, beschloss ich spontan, mich nie wieder über BMW-Werkstattrechnungen zu beschweren.
Verschleißteile … war Rolfs einziger Kommentar.
Nicht etwa, dass Rolf in Geld schwimmen würde. Keineswegs.
Nicht zuletzt deshalb war es auch ein kluger Schachzug seiner cleveren Ehefrau, ihm dieses ausgefallene Geburtstagsgeschenk zukommen zu lassen.
Eine Woche mit 2.500 Freikilometern auf einer GS. Das ist zwar auch nicht ganz billig, aber Franky, der geschäftstüchtige Harleyschrauber, nimmt es von den Lebendigen.
Und damit Rolf auch weiterhin zu dieser Gruppe gehört, hat eben seine Frau zu dieser dreifach cleveren Maßnahme gegriffen.
Das entlastet mittelfristig die Haushaltskasse, erhält Rolfs Arbeitsfähigkeit und die Sache mit dem Geburtstagsgeschenk war auch direkt miterledigt.
Wenigstens eine in der Familie, die rechnen kann.
Unser pausenlos geforderter Passat soff wie ein Loch. Beim nicht eingeplanten zweiten Tankstopp wechselten wir zum zweiten Mal die Plätze. Die letzten geplanten 100 km übernahm Rolf wieder das Steuer.
Wir waren schon eine gewisse Zeit in Österreich unterwegs, als wir feststellen mussten, dass wir irgendwie vom Kurs abgekommen waren. Der Fernpass musste nun überwunden werden. Den wollten wir eigentlich umgehen.
Wer den kennt, der kann sich vorstellen, dass eine Überquerung mit einem völlig überforderten alten Passat, an dem auch noch ein fetter Pferdeanhänger hängt, wirklich kein reines Vergnügen ist. Es war mittlerweile dunkel und die trüben Lampen unserer Zugmaschine leuchteten in den Himmel wie Flakscheinwerfer.
Alle entgegen kommenden Fahrzeuge schossen mit ihren Lichthupen auf uns. Busse, Lkws, Holländer, eben alles, was so über den dunklen und feuchten Pass krabbelte.
Rolf schleuderte den Anhänger um die Ecken, wie der seelige Ben-Hur seine römische Pferdekutsche.
„Hattet ihr eigentlich früher auch Physik, in eurer Hilfsschule?“, keuchte ich, während ich mich am Sitz festklammerte.
„Masse, Fliehkraft und so … schon mal gehört?“, versuchte ich seinen rasanten Abfahrtslauf, ein wenig zu verlangsamen.
Rolf bückte sich, um nach seinem Feuerzeug zu suchen.
So ganz nebenbei bemerkt: Rolf ist mit großem Abstand, der beste Fahrer den ich kenne. Früher war er mal Kurierfahrer. Der hat es einfach im Blut.
Seine Fahrzeuge benutzt er, wie man eben Maschinen und Geräte benutzt.
Aber als sein Beifahrer braucht man gute Nerven. Verdammt gute Nerven!
Der Anhänger driftete eifrig hinter dem Passat durch die Kurven. Bergab kamen wir gut voran.
Rolf entschied sich kurzfristig, einen vor uns herschleichenden Reisebus zu überholen. Der Passat rappelte und dröhnte verzweifelt, als ihm wieder einmal alles abverlangt wurde.
Die entgegenkommenden Scheinwerfer wurden größer und heller.
Wir waren genau neben dem Bus und schoben uns nur sehr langsam vorbei.
Die entgegenkommenden Scheinwerfer wurden immer größer und immer heller.
Rolf zündete seine Zigarette nicht an, behielt sie aber im Mund.
Meine Augen traten langsam, ganz langsam, aus ihren Höhlen.
Ich hörte wie ich irgendwelche Laute von mir gab.
Rolf antwortete nicht. Der war vollauf damit beschäftigt, das Gaspedal durch das Bodenblech zu treten.
Das passt nicht!
Das passt im Leben nicht!
Das würde nur passen, wenn der Bus neben uns und der Entgegenkommende ordentlich in die Bremsen gehen würde.
Die Eindrücke, die meine Fingernägel im Armaturenbrett hinterließen, kann man heute noch bewundern.
Mit einem gewagten Schlenker quetschte uns Rolf vor den Reisebus. Dessen Fahrer entfachte ein wildes Hupkonzert und betätigte die Lichthupe wie ein durchgeknallter Flipperspieler. Der entgegenkommende Bus hatte fast bis zum Stillstand abgebremst.
Rolf suchte wieder nach seinem Feuerzeug.
„Knapp ...!“, verkündete er trocken.
„Echt..?“. Mehr viel mir nicht ein.
Damit war unser Kontingent an Schutzengeln plötzlich deutlich geschrumpft. Und wir waren noch nicht einmal angekommen.
Da werden wir wohl eineTagestour auslassen müssen. Man soll sein Blatt nicht überreizen.
Teil 2- Seite 4
Das war irgendwie keine besondere Überraschung, denn Rolf ist immer pünktlich.
Sein alter grüner Passat bog um die Ecke und zerrte mit offensichtlicher Mühe einen riesigen Anhänger hinter sich her.
Der Passat stoppte direkt neben meiner GS und Rolf sprang heraus.
„ Morgen, mein Freund“, begrüßte er mich fröhlich.
„ Und ob … wo hast du denn diese Kiste her?“, fragte ich entsetzt.
„Franky …!“, erwiderte Rolf ungerührt. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er auch noch stolz darauf war.
„Das ist doch ein Pferdeanhänger. Ein umlackierter Pferdeanhänger!“, bemerkte ich ungläubig. „Du hast mir doch erzählt, dass du den Anhänger vom letzten Jahr …“.
Rolf blieb völlig ungerührt: “Der war kaputt, da bin ich schnell bei Franky vorbei gefahren und hab mir den ausgeliehen. Der ist doch super, oder..?“
Super … und ob !
Ein in glänzendem dunkelbraun lackierter Doppelachs-Pferdeanhänger mit riesigen Harley-Davidson-Emblemen auf den Seitenwänden.
Wenn der nicht super war!
„Pass mal auf, da kommen jetzt noch zweimal 240 kg rein. Was glaubst du wohl, was das Ding dann wiegt. Wie viel darf die Karre hier denn überhaupt ziehen?“, fragte ich, mehr neugierig als ablehnend und beäugte dabei abschätzend den alten Passat.
Rolf zuckte die Schultern und klappte die hintere Ladewand des Anhängers herunter.
Die Diskussion war müßig. Rolf war der geborene Pragmatiker.
Wir mussten bis heute Abend in Tirol sein. Mit zwei BMWs auf einem Anhänger.
Das war der Plan. Und hier war der Anhänger.
Was gab es da zu diskutieren!
Gut, andere Zeitgenossen hätten jetzt im Fahrzeugschein nachgesehen, ob dieses Gespann überhaupt der StVO entspricht. Oder sie hätten sich ernsthaft Gedanken darüber gemacht, ob man mit einem derart peinlichen Harley-Anhänger mit zwei BMWs vor einem Bikerhotel vorfahren kann.
Rolf war das alles völlig egal. Rolf war nämlich von Hause aus … Harleyfahrer.
Mehr durch Zufall als aus Überzeugung, aber dennoch konsequent.
Ansonsten hielt er sich an den alten Spruch: Papier ist geduldig.
Theorie und Praxis. Rolf ist ein überaus praktisch veranlagter Mensch. Von solch lächerlichen Kleinigkeiten, wie maximaler Anhängelast, lässt der sich nicht beeindrucken.
In dem Pferdeanhänger waren Schienen montiert. Das Verzurren meiner GS bereitete uns keinerlei Probleme.
Natürlich hätte ich meinen Krempel in einem Reisekoffer oder in einer Reisetasche transportieren können. Aber das kommt nicht infrage. Ich hatte alles in meinen beiden Motorradkoffern und in der Gepäckrolle untergebracht.
Auch das unterscheidet einen GS-Fahrer von einem Harley-Treiber.
Rolf hatte einen großen Reisekoffer dabei. Immerhin waren wir eine ganze Woche unterwegs. Lächerlich!
Keine Ahnung, was der alles eingepackt hatte.
Wir machten uns auf den Weg zum BMW-Händler. Zum vereinbarten Übergabezeitpunkt rollten wir mit unserem Monsteranhänger auf den Hof der Niederlassung. Der Mitarbeiter erwartete uns bereits.
Die rote 1200er Leih-GS stand schon abholbereit im Hof. Nachdem wir den unvermeidlichen Papierkram erledigt hatten, holte der Mitarbeiter tief Luft, um Rolf die technischen Geheimnisse des Fahrzeugs zu offenbaren.
Der Komiker hat tatsächlich ständig von ... dem Fahrzeug … gesprochen. Vermutlich hat er vorher die weißblauen Autos verkauft.
„Schon klar, wir haben noch eine lange Fahrt vor uns“, unterbrach ihn Rolf.
Ich erklärte dem eifrigen Verkäufer noch, dass ich den technisch desinteressierten Harley-Jockey höchstpersönlich in sämtliche Geheimnisse des „Fahrzeugs“ einweihen würde. Dann verabschiedeten wir uns schnell.
Die rote GS wurde hurtig neben ihrer gelben Schwester verzurrt und wir rumpelten schleunigst vom Hof.
Der alte Passat musste sich mächtig ins Zeug legen um die geschätzten 1,5 Tonnen, die erbarmungslos an seiner angerosteten Hängerkupplung zerrten, auf der Autobahn in Schwung zu bringen. Wir hatten etwas mehr als 700 km vor uns. Geplant hatten wir etwa acht Stunden für den Trip.
Wie die meisten Pläne endete auch dieser, direkt beim ersten Versuch der Umsetzung.
Ein Stau folgte auf den anderen. Bei andauernden Gefechten um die mittlere Spur, gegen diese allgegenwärtigen Lkws, zog der tapfer kämpfende Passat häufig den Kürzeren. Es erwies sich als nahezu unmöglich, das Gespann kurzfristig auf Geschwindigkeiten, von mehr als 90 k/mh zu beschleunigen.
90 Benzin-PS mögen für ein Motorrad ausreichen. Für ein etwa 3 Tonnen schweres Gespann mit acht Rädern ist das aber sicherlich ein bisschen wenig. Auch spontane Bremsmanöver zeigten mehr als deutlich, dass die maximale Anhängelast erheblich überschritten war.
Aber was soll’ s. Nicht immer ist der Weg das Ziel. Nicht immer!
Rolf zeigte sich allerdings völlig unbeeindruckt. Er prügelte seinen alten Passat mit demselben Gleichmut über die Bahn, wie seine geliebte Harley über diverse Alpenpässe.
Nach der Tour im letzten Jahr musste seine derart geschundene HD E-Glide, mehrere Wochen in „Frankys Harley-Klinik“ abhängen.
Verbogene Stößelstangen, mehrere schwere Ausnahmefehler im Primärantrieb, eine verschlissene Kupplung, eine verzogene Bremsscheibe und einige weitere Kleinigkeiten. Abgefahrene Weißwandreifen, zum Beispiel.
Mussten natürlich immer Originalteile sein, auch die Reifen
Nachdem ich die Rechnung gesehen habe, beschloss ich spontan, mich nie wieder über BMW-Werkstattrechnungen zu beschweren.
Verschleißteile … war Rolfs einziger Kommentar.
Nicht etwa, dass Rolf in Geld schwimmen würde. Keineswegs.
Nicht zuletzt deshalb war es auch ein kluger Schachzug seiner cleveren Ehefrau, ihm dieses ausgefallene Geburtstagsgeschenk zukommen zu lassen.
Eine Woche mit 2.500 Freikilometern auf einer GS. Das ist zwar auch nicht ganz billig, aber Franky, der geschäftstüchtige Harleyschrauber, nimmt es von den Lebendigen.
Und damit Rolf auch weiterhin zu dieser Gruppe gehört, hat eben seine Frau zu dieser dreifach cleveren Maßnahme gegriffen.
Das entlastet mittelfristig die Haushaltskasse, erhält Rolfs Arbeitsfähigkeit und die Sache mit dem Geburtstagsgeschenk war auch direkt miterledigt.
Wenigstens eine in der Familie, die rechnen kann.
Unser pausenlos geforderter Passat soff wie ein Loch. Beim nicht eingeplanten zweiten Tankstopp wechselten wir zum zweiten Mal die Plätze. Die letzten geplanten 100 km übernahm Rolf wieder das Steuer.
Wir waren schon eine gewisse Zeit in Österreich unterwegs, als wir feststellen mussten, dass wir irgendwie vom Kurs abgekommen waren. Der Fernpass musste nun überwunden werden. Den wollten wir eigentlich umgehen.
Wer den kennt, der kann sich vorstellen, dass eine Überquerung mit einem völlig überforderten alten Passat, an dem auch noch ein fetter Pferdeanhänger hängt, wirklich kein reines Vergnügen ist. Es war mittlerweile dunkel und die trüben Lampen unserer Zugmaschine leuchteten in den Himmel wie Flakscheinwerfer.
Alle entgegen kommenden Fahrzeuge schossen mit ihren Lichthupen auf uns. Busse, Lkws, Holländer, eben alles, was so über den dunklen und feuchten Pass krabbelte.
Rolf schleuderte den Anhänger um die Ecken, wie der seelige Ben-Hur seine römische Pferdekutsche.
„Hattet ihr eigentlich früher auch Physik, in eurer Hilfsschule?“, keuchte ich, während ich mich am Sitz festklammerte.
„Masse, Fliehkraft und so … schon mal gehört?“, versuchte ich seinen rasanten Abfahrtslauf, ein wenig zu verlangsamen.
Rolf bückte sich, um nach seinem Feuerzeug zu suchen.
So ganz nebenbei bemerkt: Rolf ist mit großem Abstand, der beste Fahrer den ich kenne. Früher war er mal Kurierfahrer. Der hat es einfach im Blut.
Seine Fahrzeuge benutzt er, wie man eben Maschinen und Geräte benutzt.
Aber als sein Beifahrer braucht man gute Nerven. Verdammt gute Nerven!
Der Anhänger driftete eifrig hinter dem Passat durch die Kurven. Bergab kamen wir gut voran.
Rolf entschied sich kurzfristig, einen vor uns herschleichenden Reisebus zu überholen. Der Passat rappelte und dröhnte verzweifelt, als ihm wieder einmal alles abverlangt wurde.
Die entgegenkommenden Scheinwerfer wurden größer und heller.
Wir waren genau neben dem Bus und schoben uns nur sehr langsam vorbei.
Die entgegenkommenden Scheinwerfer wurden immer größer und immer heller.
Rolf zündete seine Zigarette nicht an, behielt sie aber im Mund.
Meine Augen traten langsam, ganz langsam, aus ihren Höhlen.
Ich hörte wie ich irgendwelche Laute von mir gab.
Rolf antwortete nicht. Der war vollauf damit beschäftigt, das Gaspedal durch das Bodenblech zu treten.
Das passt nicht!
Das passt im Leben nicht!
Das würde nur passen, wenn der Bus neben uns und der Entgegenkommende ordentlich in die Bremsen gehen würde.
Die Eindrücke, die meine Fingernägel im Armaturenbrett hinterließen, kann man heute noch bewundern.
Mit einem gewagten Schlenker quetschte uns Rolf vor den Reisebus. Dessen Fahrer entfachte ein wildes Hupkonzert und betätigte die Lichthupe wie ein durchgeknallter Flipperspieler. Der entgegenkommende Bus hatte fast bis zum Stillstand abgebremst.
Rolf suchte wieder nach seinem Feuerzeug.
„Knapp ...!“, verkündete er trocken.
„Echt..?“. Mehr viel mir nicht ein.
Damit war unser Kontingent an Schutzengeln plötzlich deutlich geschrumpft. Und wir waren noch nicht einmal angekommen.
Da werden wir wohl eineTagestour auslassen müssen. Man soll sein Blatt nicht überreizen.
Teil 2- Seite 4
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