Kuhjote
Themenstarter
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- R 1200 GS 06 nix MÜ,TÜ,LC einfach nur so
...Unmöglich wo will der denn hier landen?
Seit geraumer Zeit war unter uns nur ziemlich trostlose Landschaft und sonst nichts. Keinerlei Spuren von Zivilisation weit und breit. Aber irgendwie war es mir auch mittlerweile egal. Diese alberne Anschnalllampe leuchtete und die anderen ca.50 Passagiere hatten die Ruhe weg und stellten ihre Sitzlehnen senkrecht. Meine Lebensgeister erwachten nur langsam wieder.
Seit mehr als 32 Stunden war ich mittlerweile unterwegs.
Irgendwann an einem Nachmittag war ich in Frankfurt in einen QUANTAS-Jumbo geklettert, dann ein endlos langer Flug eingeklemmt auf einem dieser Touristenklasse-Campingsitze, in Bangkok umgestiegen ... stundenlanges Warten im Flughafengebäude war im Preis enthalten.
Dort ging es dann mit einem kleineren Flieger weiter, so ein Ding mit hinten zwei Triebwerken rechts und links am Rumpf. Dann in Singapur eine weitere Zwischenlandung, dort durfte ich auf meinem Campingstuhl eingeklemmt weiterleiden, weil nur einige Passagiere ausstiegen und durch andere ersetzt wurden. Obwohl die Hälfte aller Sitzplätze unbesetzt blieben, achteten die Luftkellnerinnen peinlich auf die Einhaltung der festgelegten Sitzordnung.
Irgendwie war es nach Frankfurt zu mehreren Wechseln von Tag und Nacht gekommen, auf diesem Flug um die halbe Welt, ... durch weiß der Teufel wie viel ...Zeitzonen. Ich hatte jedenfalls komplett jegliches Zeitgefühl verloren und war völlig kaputt.
Innerhalb dieser 32 Stunden hatte ich diverse Flugzeugverpflegungsrationen inkorporiert. Dazu einige dieser grauenhaften kaffeeähnlichen Heißgetränke, lauwarmes Sprudelwasser aus kleinen Plastikbechern und sogar Tomatensaft. In meinem ganzen Leben habe ich noch niemals Tomatensaft getrunken. Warum auch? Kein normaler Mensch trinkt Tomatensaft. Außer in Flugzeugen, da stehen diese Pappdinger mit Tomatensaft immer auf diesen Alu-Servicecontainern. Und die Leute lassen sich das Zeug reichen. Eines dieser ungeklärten Rätsel der Menschheit.
Ziel der Reise war Darwin. Hauptstadt der Northern Territories/Australien, am anderen Ende der Welt. Darwin ist die größte Stadt dieses Bundesstaates des 5.Kontinents mit über 1.000.000 qkm Fläche größer als das neue Deutschland, viel größer. Es gab aber nur ca.200.000 Einwohner in diesem riesigen Gebiet. Davon lebten mehr als die Hälfte eben in dieser Stadt, in Darwin.
Als dann die zierliche Stewardess mit einem bewundernswerten Kraftakt diese dicke Tür in die Freiheit aufgeschwenkt hatte, wurde mir schlagartig klar, warum hier die Bevölkerungsdichte eben so war, wie sie war.
Mehr als 30 Stunden an ein klimatisiertes Umfeld adaptiert, schlug mir urplötzlich unerträglich widerlich feucht-warme Luft entgegen. Dabei war die Sonne schon fast untergegangen und es dämmerte schon leicht. Herzlichen Glückwunsch ... wenn das der Abend war, was ist denn hier erst am helllichten Tage los?
Zusammen mit den anderen Passagieren quälte ich meinen halbgelähmten Körper die Gangway herunter. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war ich nur um Haaresbreite einer Thrombose oder gar einer Embolie entkommen. Die Konstrukteure dieser Flugzeugsitze müssen Liliputaner oder Sadisten sein. Noch so ein ungeklärtes Rätsel, dem ich nun auf die Spur gekommen war.
Eine Horde sadistischer Liliputaner terrorisiert die Touristenklasse-Passagiere weltweit, und niemand hat es bisher bemerkt. Und ihre Frauen haben die Rezepte für die Bordverpflegung erfunden, ganz klar. So musste es sein. Passt auch irgendwie zu dem Tomatensaftphänomen.
Innerhalb weniger Minuten war ich schweißgebadet und bekam kaum noch Luft. Beherrscht von wirren Gedanken über diese unglaubliche Verschwörung trottete ich den Anderen zum Flughafengebäude hinterher. Vielleicht doch ein Schlaganfall ... ein ganz leichter ... führt doch auch zu Verwirrtheitszuständen. Ich war mir plötzlich irgendwie selbst unheimlich.
Meine Augen brannten vor Müdigkeit, einen Geschmack hatte ich im Mund als ob ... egal. Ich war völlig platt.
Genauso platt war ich über den Flughafen. –DEN- internationalen Flughafen von Nordaustralien wohlgemerkt. Ich hatte früher schon tolle internationale Flughäfen kennengelernt. Echte Hauptstadt-Flughäfen. Anfang der 1980er Jahre den Hauptstadt-Flughafen der damals noch stolzen DDR zum Beispiel. Oder den von Dakar im Senegal. Aber gegen Darwin waren dies tatsächlich richtige Drehkreuze im internationalen Luftverkehr.
An jedem durchschnittlichen Berliner U-Bahnhof ist selbst nach Mitternacht mehr los.
Es gab auch eine Gepäckausgabe. Sie war leicht zu finden. Es war die Einzige.
Meine große grüne Reisetasche kreiste plötzlich einsam und allein über das altersschwache Band.
WIE?? ... WAS??? ... Hupps ... Ich war wohl eingenickt.
Mit der 20-kg-Tasche in der einen, und meinem Helm im Tragebeutel in der anderen Hand taumelte ich zur Passkontrolle. Meine gute alte Highway-Jacke hatte ich notgedrungen angezogen. Eindeutig overdressed, aber das war mir mittlerweile auch völlig egal.
Der sehr englisch wirkende Typ am Schalter trug tatsächlich kurze Uniformhosen und ein Safarihemd mit wichtigen Abzeichen. Er sah aus wie der Urwaldpolizist aus dieser alten Fernsehserie -Daktari -.
Ich musterte ihn kurz mit meinen rot umrandeten Augen und knallte meinen Reisepass mit eingeklebtem Visum auf die Theke.
Angestrengt versuchte ich ein Gesicht zu machen, was in etwa dem auf dem Passfoto gleichkam. Das muss mir aber völlig misslungen sein, denn Daktari hielt mir zunächst einen Vortrag in einer mir völlig unbekannten Sprache. "Vermutlich australisch..", dachte ich. Ich versuchte es mit Englisch. Zwecklos ...
Vielleicht wollte er sein Land nur vor Seuchen und unbekannten Krankheiten bewahren. Bei meinem sicherlich desolaten Erscheinungsbild fand ich das naheliegend.
„Er möchte unbedingt dieses dämliche Einreiseformular abstempeln, das machen die nämlich gerne hier, diese Vögel..", klärte mich plötzlich eine ruhige norddeutsch klingende Stimme auf.
Diese Stimme gehörte zu Knut. Der allerdings sah genauso aus wie auf den Bildern in der Broschüre von ’’World-Wide-Bike-Travel-Tours“ oder kurz –WWBTT-.
Und tatsächlich „Dabbeldabbeljuhbihdabbeltih" schnarrte Knut und hielt dem Buschpolizisten einen echt eindrucksvollen Ausweis unter die Nase.
Dieser hingegen blieb völlig unbeeindruckt und blubberte irgendwas auf australisch. Nach eifriger Suche hatte ich mittlerweile das besagte Schriftstück gefunden, und präsentierte es müde aber dennoch stolz dem nun deutlich friedlicher blickenden Diensthabenden.
Der warf nur einen kurzen Blick darauf, schnappte sich einen Stempel und ... patsch ... war ich erlöst.
Na also geht doch!
Knut hatte mich wohl schon überall gesucht, und sich dann listig mithilfe seines scheinbar selbst gebastelten Ausweises Zugang zum Arrival-Bereich verschafft.
Wie auch immer, es ging endlich weiter. Knut hatte direkt vor dem Eingang einen riesigen alten Landcruiser geparkt, in dem schon zwei Leute hockten. Er öffnete die Heckklappe und ich warf meine Tasche und meinen Helm samt Highway-Jacke in den gigantischen aber stark abgenutzten Kofferraum ... und saß plötzlich hinter dem Steuer. Knut hatte nur eben das Ticket unter dem Scheibenwischer entfernt, und hielt mir nun den Schlüssel hin. "Willst Du fahren?", fragte er völlig emotionslos.
"Oh, ... Rechtslenker..", bemerkte ich. Die Beiden auf der Rückbank wurden hörbar nervös. Ich beschloss dem Ortskundigen den Fahrersitz zu überlassen und trollte mich auf den Beifahrersitz. Anke und Wolfgang waren die beiden auf der Rückbank. Wir waren wohl alle drei im selben Flieger gewesen, hatten uns aber vorher nicht zuordnen können. In der annähernd gleichen körperlichen Verfassung beließen wir es bei einer kurzen Vorstellung, und dösten während der etwa halbstündigen Fahrt durch den schwülen mittlerweile dunklen Abend schweigsam vor uns hin. Die Klimaanlage des ramponierten Japaners kämpfte währenddessen tapfer, aber trotzdem ziemlich erfolglos, gegen die klimatischen Gegebenheiten. Knut ebenfalls sehr schweigsam, kutschierte uns geradewegs zu einem einsamen und ruhigen Campingplatz am Ende der Welt.
Dort angekommen deutete er auf eine Reihe von kleinen Kuppelzelten, die ordentlich in einer Reihe aufgebaut waren. Wir suchten uns jeweils ein noch nicht belegtes Exemplar aus, und warfen unseren Krempel hinein.
Auf einer mit einem Wellblechdach überbauten Betonplatte unmittelbar neben der Zeltreihe brannte Licht, welches die unmittelbare Umgebung hinreichend illuminierte, aber auch unzählige Fluginsekten zu einem chaotischen Tanz um die Leuchtstoffröhren verführte.
Hier warteten tatsächlich noch ein paar Gestalten, scheinbar eine Art Begrüßungskomitee auf uns desolate Neuankömmlinge. Nachdem sie allerdings unseren Zustand richtig gedeutet hatten, drückte uns einer von ihnen verständnisvoll lächelnd je eine kühle Dose Bier in die Hand.
Irgendwie habe ich es dann noch geschafft meinen Schlafsack auf der im Zelt befindlichen Isomatte auszurollen. Die Schuhe habe ich wohl auch noch irgendwie abgestreift und bin dann mit dem Kopf auf meiner zusammengefalteten Highway-Jacke, in einen nahezu todesähnlichen Schlaf gefallen.
Fortsetzung folgt
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