Bonsai
GS-Flüsterer
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Für Interessierte:
Aus Freude am Fahren
Aus Freude am Fahren
Dritter Juni 97, ein Tag vor dem siebzigsten Geburtstag meiner Mutter. Ich bin unterwegs zu meiner Schwester, möchte eine Überraschungsgeburtstagstorte backen; Hausstrecke. Die lange Links geht mit 140, noch kurz einen Sportvereinkollegen beim Überholen grüssen und dann die GS in die enge Rechts umlegen, 120. Die Fussrasten kratzen leicht übern Asphalt, die Reifen zeichnen, zeigen ihre baldige Haftgrenze an. Da taucht noch vor dem Kurvenscheitel ein Trecker auf. Ich habe die Bremse nur etwas mehr als angetippt, da schmiert das Motorrad auch schon wie von der Axt gefällt übers Vorderrad weg. Quer über die Strasse geht es noch recht gut, doch aus dem Graben ragt eine 80x80x10 Zentimeter fette Betonplatte: Volltreffer! Zuerst die GS, dann ich. Beeindruckend, welche Kräfte bei so einem Abflug wirken. Es dauert eine Weile, bis Ruhe einkehrt und sich der Staub legt. Mein Sportvereinkumpel steht völlig verdattert da, weiss nicht was er tun soll. Na, ich kann aufstehen und bin scheinbar auch ansonsten einigermaßen ok, Schwabenleder sei Dank (ich bin fest davon überzeugt, dass mir der geniale TC-Schaumprotektor den Rollstuhl erspart hat). Nur meine Kuh sieht wirklich übel aus. Also lasse ich mich von ihm zu meiner Schwester fahren, mühe mich beim Tortenbacken und organisiere einen Anhänger, bevor die zunehmenden Rückenschmerzen fast unerträglich werden.
In der heimischen Werkstatt ist anderntags die Schadensanalyse schnell und eindeutig: Feierabend! Nach 93.233 problemlosen, schönen und intensiven Kilometern -wie z.B. einen 4.000 Km-Off-Road-Trip durch Island- in zwei Jahren. Getriebegehäuse gerissen, Batterie geplatzt, Heckrahmen wild verbogen, Tank und selbst die Pumpe darin zertrümmert, Cockpit total zerbröselt, um nur ein paar Details zu nennen.
Die Frage nach einer Nachfolgerin ist in meinen Augen eigentlich keine, denn bezüglich Wartungsfreundlichkeit und -aufwand, Geländetauglichkeit, Technik, aber auch Sturzfreundlichkeit und die Option auf einen größeren Tank sind die Mitbewerber a la Viagradero, Tiger, Capo Nord, etc keine Konkurrenz. Am 02.10.97 wird die neue GS ohne ABS, aber mit FID und Heizgriffe angemeldet. Der Übergabekundendienst war ihr letzter Vertragswerkstattaufenthalt, alle weiteren Service-, Reparatur- und Umbauarbeiten wurden und werden in der heimischen Werkstatt meines Bruders erledigt. Und die Umbaumaßnahmen beginnen sofort: selbstgefertigte 45mm-Lenkererhöhungen für bessere Off-Road-Haltung, kleinere Blinker und BMW-Getriebeverstärkung, TOURATECH 40l-Tank plus 5l Eigenbauzusatztank anstelle des ABS Moduls, schwarz lackierte Felgen, Doppelscheinwerfer, Faltenbälge und Lenkanschläge fürs Telelever, kurzer, neckischer Schnabel und -ganz wichtig- den Originalauspuff "gewichtsoptimiert", damit dieser erbärmliche Konservendosensound ein Ende hat!
So, nun aber genug vom Schrauben. Das Teil ist zum Fahren da; und das kann ich besser und macht auch mehr Spaß. Auf dem täglichen Weg zur Arbeit genauso wie in unzähligen Touren kreuz und quer durch Europa. Ohne Hotels, Pensionen und Campingplätze, ohne Koffer und Alukisten, immer nach dem Motto: lieber ein Abenteuer als ein teurer Abend. Das skandinavische Jedermannsrecht funktioniert eigentlich überall - verantwortungsvolles Verhalten vorausgesetzt. Gecampt wird an Bächen, Flüssen, Seen, auf Bergen, in oder an Wäldern. Oft mit einem kleinen Grillfeuer und weit weg vom nächsten Dorf. Da kommen die für eine Reiseenduro guten Geländeeigenschaften der GS zum Tragen.
Wie gut ihre Off Road Qualitäten tatsächlich sind, kann sie schließlich im November/ Dezember '98 unter Beweis stellen: 6.500 Kilometer geht es tief in die libysche Sahara. Aus früheren Saharaerfahrungen mit den Fehlern, die man einfach macht, gelernt, starten wir gut vorbereitet und ausgerüstet - mit wenig Gepäck (nein, das ist kein Widerspruch, sondern oft entscheidend über ge- oder misslingen einer solchen Tour). Reifentests hatten wir schon in Island durchgeführt, da uns der Conti TKC 80 nicht grobstollig genug war: Meinem Bruder seiner GS montierten wir damals einen Michelin Dessert, meine bekam einen Metzeler MCE Safari, beide in der Größe 140/80, leider mit Schlauch. Beim Vorderrad war es wegen des 19 Zöllers etwas schwieriger. Wir entschieden uns für den 120er MCE Sixday, eigentlich ein Hinterreifen. Funktioniert aber wunderbar - nur beim Umlegen in Schräglage vermittelt er ein etwas kippeliges Gefühl.
Vollgas, der Motor brüllt, dritter Gang, 80 km/h. Der Lenker schlägt wild, das Hinterrad keilt aus und das völlig verspurte Weichsandfeld will kein Ende nehmen. Aber bei dieser Geschwindigkeit "schwimmt" die GS wenigstens auf dem Sand auf. Es ist immer wieder faszinierend, wie sich dieses Trumm im schweren Gelände schlägt. Doch ein paar Stunden später hat sie urplötzlich eklatanten Leistungsverlust; läuft nur noch wie ein kranker Hund im Leerlauf. Die Symptome sind uns von früher an einer anderen GS her bekannt: Benzinfilter geplatzt! Wollte ihn wegen zweifelhafter Benzinqualität erst nach der Tour wechseln, Schande über mein Haupt. Und dies gerade hier mitten auf unserer Königsetappe, knapp 1.000 km ohne Versorgungsmöglichkeiten von Darj am Erg Uwbari entlang nach Idri. Es ist schon später Nachmittag. Also quäle ich die GS ein paar hundert Meter weg von der Hauptpiste neben eine Akazie, um nachts nicht von einem Lkw platt gefahren zu werden. Lager aufschlagen, Essen kochen und dann die Kuh schlachten. Den Filter spülen wir mit Benzin aus, blasen ihn am Auspuff aus und verschrauben das Gehäuse mit Schlauchschellen. Die anschließende, kurze Probefahrt im Dunkeln ist vielversprechend: alles ok.
Denkste. Nach satten 100 Kilometern das gleiche Debakel. Wieder muß der Tank runter und die Pumpe-Filtereinheit raus. Diesmal machen wir keine halben Sachen mehr. Das Filtergehäuse wird aufgebördelt, mit meiner Zahnbürste und viel Benzin das Filterelement sauber geschrubt, danach das Ganze wieder verschlossen und verschraubt. Diesmal hält die Reparatur - bis nach Hause (einen geplatzten Filter kann es heute übrigens nicht mehr geben, denn seit Jahren werden die Filtergehäuse zusammengelötet).
Leider sind einige wertvolle Liter Benzin im Sand versickert. Es kommt wie es kommen muß: Knapp 50 Kilometer vor der rettenden Oase ist mein Tank trocken. Werners Restmenge reicht nicht für uns beide, er muss also alleine weiter. Genau dies wollten wir eigentlich vermeiden, denn alleine auf dieser üblen Piste ist sehr gefährlich. Dummerweise beginnt gerade hier ein kilometerlanger Geröllabschnitt, welcher von puderweichem FechFech zugeweht ist. Langsam geht nicht, schnell schon gar nicht; eine furchtbare Schinderei. Und Werner muss da dreimal durch!
Es folgen weitere Highlights: Die Mandaraseen bis hin zum Um-el-Ma mit Palmengürtel mitten in einem riesigen Dünengebiet gelten als Naturwunder. Das Dünensurfen macht irre Spaß, Paris-Dakar Feeling. Vor lauter Euphorie erwische ich aber das falsche Spurenbündel, drifte zu weit nach Westen ab. Nach einigen Kilometern kann mich Werner endlich "einfangen". Ich hätte wetten können, dass ich richtig bin. Und ich habe eigentlich einen guten Orientierungssinn. Doch GPS sei Dank –auch wenn es nur das einfache Garmin III ist- findet sich der richtige Weg problemlos. So einfach war das vor ein paar Jahren nur mit IGN Karten und Kompass in Algerien nicht.
Im Wadi Mathendousch bewundern wir jahrtausende alte Felsgravuren. Die Schlichtheit und dabei enormer Ausdruckskraft der Tierdarstellungen fesselt uns. Die Piste führt dabei über eine ausgedehnte Hammada, einer extrem holperigen Geröllwüste. Kniefall vor der GS, die diese Quälerei klagloser wegsteckt als wir.
Zurück in heimischen Gefilden verlangt sie nur nach einem großen Kundendienst (inklusive Benzinfilter!). Dazu wird nur noch auf den Felgensatz mit den Tourancereifen gewechselt und schon kann es wieder kreuz und quer durch Europa gehen. 2 Wochen Sardinien ist die nächste erwähnenswerte Tour. Eine Insel, die mich immer wieder fasziniert, aber auch jedes mal eine quälende Frage aufwirft: TKC 80 oder Metzeler Tourance? Sardinien ist ein Motorradtraum, On und Off Road! Dann geht es in den hohen Norden. Ich bin mit meinen Trekkingpartnern am Sarek Nationalpark in Nordschweden verabredet. In zwei Tagen bringt mich die GS von der Schweiz an den Polarkreis. Am zweiten Tag sind es schlappe 1400 Kilometer ohne einen einzigen Kilometer Autobahn, dafür ausreichend viele guter Schotter; was für ein Spaß. Das Kontrastprogramm bildet ein Trip nach Spanien, Pyrenäen und Pico de Europe, da hat die Kuh schon die 100.000 Kilometer überschritten. Weiter geht es; mal den ganzen Stiefel runter, Abruzzen, Apulien, dann in zig Touren auf ehemaligen Militärpisten durch die Alpen.
Immer öfters gesellen sich nun ost- und südosteuropäische Reiseziele dazu: Nach Ende des grässlichen Balkankrieges wollte ich durch Touren nach Slowenien, Kroatien, Bosnien- Herzegowina und Montenegro "erfahren", was aus Titos landschaftlich wunderschönen Jugoslawien geworden ist: Unfaßbar grausam, was sich nur wenige Fahrstunden vor unserer Haustüre entfernt abgespielt hat! Da ist die Entwicklung der Tschechei, Slowakei, Ungarn und auch Rumänien viel erfreulicher. Kein Vergleich zu früheren Reisen in diese Länder.
Mittlerweile schreibt man das Jahr 2000, die GS steht mir seit dem Frühjahr als Begleitfahrzeug in der täglichen Motorradfahrschulausbildung in Hamburg treu zu Diensten. Zur Belohnung für öde Stadt- und Übungsplatzfahrten starten wir zusammen mit vier „jungen, wilden Stieren“ -alle auf GS- zu einer zünftigen Kapartentour. Überwältigende Natur, heftige Off Road Einlagen mit Schlammbädern, Geröllfeldern, Stürzen, schweißtreibenden Berge- und Schiebeaktionen erwarten uns. Wahrlich kein Kindergeburtstag, aber genial! Schon auf dem Rückweg, aber noch in Rumänien, entdecke ich einen undichten Simmerring am Hinterradantrieb. Öl nachfüllen und mit Sägemehl "eindicken" hilft nur kurzfristig, da sich das Radlager dahinter auflöst und den Simmerring herausdrückt. Immerhin hielt das Lager 155.000 Kilometer. Ohne große Umwege und Experimente geht es Richtung Heimat. Abends mitten in Slowenien braut sich am Horizont ein mächtiges Gewitter zusammen. Das Radlager besteht nur noch aus Fragmenten und das Hinterrad wackelt bedenklich. Mir ist es zu unsicher bei diesem Wetter mitten im Niemandsland liegen zu bleiben und entschließe mich in einem überdachten Biergarten zu übernachten. Die „wilden Stiere“ haben mächtig Stalldrang, wollen schnell nach Hause und fahren weiter. Ok Jungs, mit euch fahre ich nicht nach Afrika, da braucht es zuverlässige Reisepartner.
Glücklicherweise habe ich ja den besten Bruder, den es gibt. Es ist Donnerstagabend, als ich ihn anrufe. Für mich beginnt die Zeit des Wartens, für ihn wird es hektisch: Bis 22 Uhr baut er den Hinterradantrieb von meinem Schrottmotorrad aus und packt das nötige Werkzeug ein. Ab 5 Uhr morgens baut er in der Firma einen 12 Zylinder zusammen, da der 850er BMW unbedingt vor dem Wochenende an den Kunden raus muss. Um 12 Uhr ist er schon unterweGS, 900 Kilometer quer durch die Schweiz, Südtirol, Dolomiten, Slowenien. Die Kirchturmuhr schlägt gerade 22 Uhr, als ich das markant kernige Grollen SEINER 1150er höre. Um Mitternacht haben wir den Antrieb umgebaut und eine respektable Menge Lebensmittel vernichtet. Unverzüglich geht es durch die kalte Nacht Richtung Heimat. Am Samstag um elf Uhr sind wir schließlich zu Hause.
Da nächste Woche wieder die mühsame Fahrschulausbildung in Hamburg wartet, gönne ich der GS mit einem Kumpel zusammen einen Sonntagstrip in die Alpen, bevor die Reifen im Norden wieder flach gefahren werden. Doch es kommt alles ganz anders: Am Flüelapass kurz hinter der Passhöhe schießt mich ein völlig übermüdeter Transporterfahrer von der Strasse, es geht heftig in einen Geröllhang. Nach kurzem Filmriss bin ich schnell wieder auf den Beinen, doch ich bekomme die GS nicht auf die Räder gestellt. Irgendwie kann ich den rechten Arm nicht benutzen. Der Schulterprotektor meiner ALNE Lederkombi ist völlig zerfetzt, hat schlimmeres verhindert. Also rauf auf den Sozius meines Kumpels und ab nach Davos ins Spital. Diagnose: Schulter gebrochen und ausgekugelt. Skifahrer sei Dank ist die Klinik bestens für Einrenkungen ausgestattet. Autsch, es tut trotzdem höllisch weh.
Jetzt, wo sich das Adrenalin langsam abbaut, werden die Schmerzen heftig. Die GS hat eine Menge "Weichteilverletzungen": 41l- Tank, Schnabel, Windschild, Werkzeugfach, Gepäckbrücke, Blinker und Ventildeckel zerbröselt, nix lebensbedrohliches. Werner braucht eine gemütliche Woche für die Reparatur, meine Schulter verlangt nach einer fünfwöchigen Zwangspause. Kurioserweise führt meine erste Tour im Rahmen einer Hamburger Motorradfahrlehrerweiterbildung in Samnaun wieder über den Flüelapass.
Schon mal in Hamburg wohnhaft, nutze ich die Gelegenheit für ausgiebige Erkundungen durch Nord- und Ostdeutschland bis runter in den Harz, aber auch nach Skandinavien. Mittlerweile hat die GS treue Begleitung: Meine Freundin, selbst motorradbegeistert, lässt sich auch vom GS-Virus anstecken. Die ZZR war einfach nix für sie. Reiseenduroerfahrung in Form einer Transalp hatte sie schon, nur eben keine Off Roaderfahrung. Da bietet sich eine Schwedentour auf Nebenstrecken als Einstieg geradezu an. Denn im Gegensatz zu den gut ausgebauten, asphaltierten und meist langweiligen Hauptstrassen folgen die in hervorragendem Zustand gehaltenen Pisten in interessanten Variationen der Topographie. Die 200.000 Kilometer vollendet die treue GS dann wieder ganz unspektakulär während einer Ausbildungsfahrt mitten in Hamburg.
Nach zwei Jahren hatte ich genug vom platten Land, brauchte wieder Berge, Kurven, Dynamik. Meine Freundin kam mit zurück in den Südschwarzwald. So konnte ich Ihr in unzähligen Touren ihre neue Heimat zeigen. Egal, ob Schwarzwald, Vogesen, Alpen, Österreich, Italien oder Südfrankreich, alles liegt praktisch vor der Haustüre. Ein Jahr später gesellt sich noch Mike aus dem hohen Norden dazu. Auch ihn überzeugte eine ausgiebige Probefahrt. Weg mit der XJ 900, her mit der 1150er. Danach ging es oft zu dritt auf Tour. So läpperten sich die Kilometer, bis zu 73.000 Kilometer jährlich.
Technisch gibt es natürlich auch Einiges zu berichten. So ist es praktisch nicht möglich meine Kuh auf den Punkt genau zu synchronisieren. Zum Teil ursächlich dafür ist eine einlaufende Drosselklappenwelle, die spätenstens alle 120.000 Kilometer überarbeitet wird. Etwa die gleiche Lebensdauer haben die Paraleverlager und der Poly-V-Riemen. Die Batterie erlitt mit 151.000 Kilometer auf einer südfranzösischen Rüttelpiste einen Zellenschluss. Trotzdem schafft es die GS per fremdstarten/anrollen bis nach Hause. Dann im darauffolgenden Winter sind bei Kilometerstand 183.750 zwei Wochen Zeit für ein kleines Schlachtfest: Das Getriebe kommt auf die Werkbank. Ich fühlte nämlich phasenweise stärkere Vibrationen in den Fussrasten. Und siehe da, das Ausgangslager hat einen zu grossen Innenring, lässt sich ohne Erwärmen von der Welle ziehen. Dadurch rutschte das Lager gegen ein Zahnrad und rieb daran. Der Rest des Getriebes präsentiert sich in nahezu neuwertigem Zustand und auch die Kupplung bedarf mit über 70 % keinem Tausch. Also nur ein neues Lager und ein Satz Simmerringe montiert. Außerdem wechsle ich noch den Anlasser, da bei strengem Frost manchmal der Freilauf hängen bleibt. Apropos Frost: Die GS übernachtet meist draußen und wird auch bei deutlich zweistelligen Minustemperaturen gefahren. Steif gefrorene Kabel und Schalter fordern dabei ihren Tribut in Form zweier Kabelbrüche am Zündschloss und jeweils einer linken und rechten Lenkerschaltereinheit. Auch der Sitzbankbezug wurde letzten Winter ein Opfer des Frostes. Davon völlig unbeeindruckt zeigt sich dagegen der Metzeler Tourance, ein Reifen mit prima Kalt- und Nassgrip. Selbst gefroren ist er sofort "da", erlaubt respektable Schräglagen mit klar kontrollierbarem Grenzbereich. Dafür baut er bei Temperaturen über 30 °C etwas ab, aber ehrlich gesagt: ich auch...
Das Originalfahrwerk wurde bei Kilometerstand 287 000 gegen etwas längere Öhlinsfederbeine getauscht, um im Off Road Einsatz mehr Reserven zu haben. Nebenbei ist es jetzt kaum mehr möglich die Rasten zum kratzen zu bringen.
Bei schon über 310.000 Kilometer, mittlerweile wieder Winter, sind die Zylinderköpfe dran. Kaum messbarer Ölverbrauch, hervorragender Kompressionsdruck und mechanisch ruhiger Motorlauf sprechen zwar nicht für eine Demontage, aber ich möchte dem Phänomen auf den Grund gehen, warum meine GS nicht penibel genau zu synchronisieren ist. Zudem ist die Arbeit fix erledigt, es muss nicht einmal der Tank runter. Doch die Nockenwellen, Ventile, -führungen und -sitze befinden sich in tadellosem Zustand. Es bleibt nichts weiter zu tun als die Ölkohle zu entfernen, Ventile einschleifen und die Ventilschaftdichtungen zu erneuern.
Doch nur knapp dreitausend Kilometer später, genau bei 315 299, rappelt auf der A5 bei Freiburg plötzlich böse der Motor. Noch bevor ich ihn ausschalten kann, fliegen schon ein paar Metallbrocken unter dem Tank hervor: Motorschaden! Zuhause in der Werkstatt ist die Analyse schnell und eindeutig: Der Motor geht eindeutig auf meine Kappe! Ich hätte an allen Ventilen das bischen Ölkohle nur mit Schmirgel entfernen sollen. Doch einem Auslassventil bin ich zusätzlich mit dem Dreikantschaber zu Leibe gerückt. Und genau dieses ist direkt am Teller abgebrochen. Damit aber nicht genug, denn der Teller verklemmte sich, Kolbenbolzenabriss, anderer Zylinder auch beschädigt. Nun habe ich ja noch einen Motor im Regal, doch dieser ist schon lange nicht mehr komplett. So verrichtet beispielsweise der linke Zylinderkopf seit Jahren seinen Dienst in der GS eines Kumpels. Diesen hatte er bei einem duseligen Sturz auf einem gemeinsamen Trip auf ehemaligen Militärpisten am Pasubio zerstört.
Neuteile kommen nicht in Frage, zu teuer. Gebrauchtteile aus verschiedenen Motoren zusammenbasteln dagegen birgt viele Risiken. Die einfachste Lösung stellt ein kompletter Gebrauchtmotor dar. Für 600,- € erstehe ich einen laut Aussage des Vorbesitzers in Originalzustand mit scheinbar gerade mal 50.000 Kilometer drauf. Der Motor ist in Ordnung: Kompression, Ölverbrauch, Laufruhe; alles im grünen Bereich. Nur muss der rechte Zylinder schon mal runter gewesen sein, denn es wurde bei der Montage die O-Ringe im Fuß vergessen, was zu Ölschwitzen führte. Die Originalkupplung meines Motors wird wieder übernommen, da sie mit über 50% wohl deutlich mehr als eine halbe Million Kilometer "machen" wird.
Ein kniffliges Elektronikproblem ist das nächste erwähnenswerte Hemmnis auf dem Weg dorthin: Das mürbe Kabel am Halgeber narrt uns zwei Tage, da es nicht ganz gebrochen war. Bei 355.200 Kilometer muss die Kupplungsdruckstange erneuert werden, weil die hintere Lagerung gefressen hatte und bei Kilometer 376.000 wird vorsorglich das hintere Radlager erneuert, da es Spiel hat und auch die Kardanwelle des Schrottbikes prophylaktisch verbaut.
Auf dem Weg nach Bulgarien steht dann in Rumänien direkt am Ortsrand von Arad die 400.000 auf dem Tacho! Zur Belohnung gibt es jede Menge lecker Off Road, ideales Terrain für solche Exkursionen. Und 45 Liter Sprit an Bord sorgen für eine gewisse Unabhängigkeit, da kann man sich ruhig mal zwei, drei Tage in die Botanik schlagen. Wo kann man das heute noch in Europa? Na, am ehesten noch in Skandinavien und ...Spanien. Spanien, da war die GS und ich auch schon lange nicht mehr, meine Freundin mit ihrer GS noch nie - genau die richtige Ecke, um ihre 200.000 Kilometer auf den Tacho zu zaubern. Eine perfekte Herbsttour mit eisigen Nächten, sonnigwarmen Tagen in herbstbunten, wilden Sierras, in denen unter anderem Sergio Leone seine monumentalen Westernklassiker drehte. Da passen die täglich über uns kreisenden Geier perfekt dazu…
Zu Hause folgt einem goldenen Herbst ein strammer Winter. Wieder zweistellige Minusgrade fordern ein weiteres Opfer: Die Batterie erleidet einen Zellenkollaps, hielt respektable sechs Jahre lang die Schüttelei aus. Volle vier Monate überwintert die GS, meisst tatenlos, warm und trocken in einer Garage. Zeit für eine Zwischenbilanz: Über 433.000 Km stehen auf der Uhr. Dafür wurden 22.488 Liter Sprit abgefackelt, das entspricht einem Durchschnittsverbrauch von 5,18 Liter auf 100 Kilometer. Ein Verbrauch, der mich scheinbar zum Schleicher stempelt. Und richtig, ich dresche die GS nicht oft über 160 km/h, denn erstens brauche ich meinen Führerschein auch beruflich, zweitens bin ich der „Herr der Nebenstrecken“ und drittens hat die GS einen Cw-Wert wie ein offener Kühlschrank. Ab 150 kostet dieser Expresszuschlag. Doch wer mich kennt weiss, dass bis zur "Reisegeschwindigkeit" von 130 km/h die Drosselklappen gerne mal auf Durchzug stehen. Dieser Verbrauch wird übrigens von meinen Reisepartnern mit ihren GSen bestätigt. Der Ölverbrauch ist nicht erwähnenswert, und zwar bei beiden Motoren. Es wurde während der gesamten Distanz gerade einmal 6,1 (!) Liter billiges mineralisches Leichtlauföl zwischen den Kundendiensten nachgefüllt. Ob es daran liegt, dass ich den Motor erst ab einer Öltemperatur von 80 °C (drei Balken auf dem FID) über 4.000 U/min drehe?
Weiterhin wurden insgesamt 41 Hinter- und 33 Vorderreifen runterradiert. Anfänglich ausschließlich Bridgestone, war damals die beste Wahl. Danach war der Metzeler Tourance für mich das Maß der Dinge. Einzig der Michelin Anakee bietet ähnliche Qualitäten, ist aber teuerer –und nicht „Made in Germany“ (da bin ich Patriot). Für gemäßigte Off Road Trips steht ein zweiter Felgensatz mit Continental TKC 80 zur Verfügung und sind in 15 Minuten umgebaut. Eine hervorragende Pelle für alle Fälle, erlaubt auch On Road ordentliche Schräglagen bei neutralem Verhalten. Die Sache hat nur einen Haken: Die Pneus sind recht teuer.
Zusätzlich gab es den ein oder anderen gerissenen Kupplungszug zu beklagen, da der Kupplungshebel und die Armatur etwas aufgerieben waren und der Zug dabei nicht sauber in der Hülse drehen konnte. Aber wenn man den neuen Zug mit dem Alten einzieht, braucht man nicht mal den Tank demontieren….
Das Ende dieser Lovestory kam früher als geplant, nämlich schon kurz vor Ostern ’07. Eigentlich wollte ich die halbe Million selbst mit der GS „erfahren“, doch der Käufer wollte sich unbedingt von „meiner“ treuen Kuh eben über diese Feiertage den Schwarzwald zeigen lassen. So blieb es bei 497.000 intensiven, interessanten und durchweg positiven Kilometern! Und dies setzte sich beim Nachbesitzer auch nahtlos fort, wie er mir noch jahrelang regelmäßig berichtete.
Mein Herzschmerz hielt sich jedoch in Grenzen, stand doch schon seit November die Nachfolgerin in der Garage: R 1200 GS Adv! Am 27.03.07 begann eine weitere Liebesgeschichte, die leider am 01.08.12 unrühmlich in einem heftigen Crash nach über 400.000 Km endete ….aber das ist wiederum eine andere Geschichte! Eine mit Fortsetzung und offenem Ende ….